Tibet-Encyclopaedia

 

Amir Khan (Herrscher von Kiris in Baltistan bzw. Klein-Tibet)

Amir Khan war einer der wichtigsten Herrscherpersönlichkeiten des kleinen Königreiches Kiris in Baltistan. Er regierte in Kiris seit den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts und war bis ca. 1678/79 an den Kriegszügen gegen Sher Khan beteiligt. Unter ihm erstreckte sich der Herrschaftsbereich von Kiris zeitweise vom Zusammenfluss des Shayok und des Indus bis nach Kharku nordwestlich von Khaplu und schloss somit neben Kuru auch die Orte Balghar und Daghoni ein.

Amir Khan wird in den von Cunningham und Francke veröffentlichten Listen der Herrscher von Kiris als Amir erwähnt. Die wichtigste Quelle über sein Leben ist aber die Verschronik Shigar Nāma, in der er an zahlreichen Stellen als Amtsträger und Weggefährte von Imam Quli Khan auftaucht.

Amir Khan war ein Sohn von Ahmad Amir, der vor ihm in Kiris regierte. Von den beiden wichtigsten Söhnen Ahmad Amirs wuchs einer, Amir Khan, am Königshof in Shigar auf während der andere, Hatam Khan, in Khaplu erzogen wurde. Ahmad Amir teilte seinen Herrschaftsbereich auf und hinterließ Amir Khan die Herrschaft von Kiris, während er Hatam Khan den Ort Kuru vererbte. Da aber zwischen Amir Khan und Hatam Khan nach dem Antritt ihres Erbes große Feindschaft entstand, schickte Imam Quli Khan Truppen nach Kuru, um Amir Khan zu unterstützen. Die Burg von Kuru wurde erobert und die Herrschaft über Kuru an Amir Khan übertragen.

Die erste Erwähnung von Amir Khan im Shigar Nāma datiert in die Herrschaftszeit des Moghul-Kaisers Shah Jahan (1627-1658). Im Jahre 1636 stimmte der Kaiser Shah Jahan dem Vorschlag Zafar Khans, des Gouverneurs von Kaschmir, zu, eine Armee nach Baltistan zu schicken. Die siegreichen Truppen aus Kaschmir nahmen den König Abdal Khan von Skardu gefangen und setzten zunächst Muhammad Murad (Murad Khan) als neuen Herrscher ein (Láhorí, S. 62f). Diese Entscheidung wurde aber später von Shah Jahan revidiert und Adam Khan, der Bruder von Abdal Khan, zum Herrscher von Baltistan bestimmt. In dieser Zeit verbündeten sich die anderen lokalen Herrscher in Baltistan, zu denen auch Amir Khan aus Kiris gehörte (Behrouz, S. 82f), gegen den abgesetzten Murad Khan und vertrieben ihn aus Shigar. Nachdem Murad Khan sich nach Rondu zurückgezogen hatte, wurde Amir Khan, im Shigar Nāma als „Fürst von Kiris“ erwähnt, zum Wesir des neuen Herrschers von Shigar Imam Quli Khan ernannt.

Die offenkundig nächste Erwähnung von Amir Khan datiert in die Jahre 1650/51, als es durch eine militärische Aktion des Herrschers von Skardu Adam Khan und seines Neffen Murad Khan, die beide permanent in Kashmir residierten, zu einer Absetzung des langjährigen Statthalters in Baltistan Mirza Khan kam. Im Gefolge des Königs Imam Quli Khan von Shigar, der Adam Khan zur Hilfe kam, befand sich auch der „Fürst“ von Kiris (Behrouz, S. 94).

In den Jahren 1650-1658 nahm Amir Khan mit den Truppen aus Shigar an Murad Khans Seite an einem Feldzug gegen Kharbu (Unterladakh) teil. Danach erscheint er zweimal als Anführer der Truppen aus Shigar in den letzten beiden Feldzügen von Murad Khan gegen Gilgit.

Nach dem Tod von Murad Khan alias Shah Murad (vor 1674), dem Nachfolger von Adam Khan (verstorben vor zwischen 1650 und 1658), tritt Amir Khan wiederum als Gefolgsmann von Imam Quli Khan auf. Sher Khan, der Bruder von Murad Khan, riss die Macht in Skardu an sich und versuchte Shigar zu erobern. Zur Absicherung der östlichen Flanke von Shigar wurde Amir Khan von Imam Quli Khan nach Kiris geschickt, um zur Abwehr der aus Khaplu erwarteten Verstärkung der Truppen von Sher Khan Vorkehrungen zu treffen. Als die Hilfstruppen unter Führung von Babur aus Khaplu in Kiris eintrafen, kam es zur offenen Schlacht. Die Truppen Baburs wurden besiegt und einhundertzwanzig seiner Krieger wurden gefangen genommen. Als anschließend bei Amir Khan die Nachricht vom Hauptangriff Sher Khans auf Shigar eintrafen, zog er mit seinen Truppen von Kiris ab und schlug sich zur Armee von Shigar durch.

In den Folgejahren (nach 1665, vor 1674) trat Amir Khan unter anderem insbesondere als Heerführer bei der Eroberung von Khaplu in Erscheinung. Für seine Verdienste wurden ihm von Imam Quli Khan die Stellung eines Emirs und die Vorherrschaft über Kharku zugesprochen. Sein Herrschaftsgebiet erstreckte sich somit zeitweilig von Kiris und Kuru unter Einschluss von Balghar und Daghoni bis Kharku.
 
Nach 1674 hatte Amir Khan die Verwaltung von Kiris seinem Stellvertreter Ismail Mir übertragen. Dieser verbündete sich mit Sher Khan und verschaffte den Truppen Sher Khans ungehinderten Zutritt zur Burg von Kiris, deren Bewohner sich notgedrungen der Herrschaft Sher Khans fügen mussten. Kiris gehörte danach für einige Zeit zum Einflussbereich von Sher Khan. Gleichfalls nach 1674 ging die Vorherrschaft über Kharku kurzfristig verloren. Während Amir Khan am Feldzug gegen Sher Khan bei Skardu teilnahm, rückten Hatam Khan und Yakub aus dem Hushe-Tal und Khaplu gegen Kharku vor und eroberten die Burg. Nach einem Gegenangriff von Truppen aus Shigar wurde Kharku zurückerobert.
 
In den Darstellungen der letzten Auseinandersetzungen zwischen Imam Quli Khan und Sher Khan, die zur endgültigen Niederlage Sher Khans führten und die nach 1678/79 stattgefunden haben, wird Amir Khan nicht mehr erwähnt.
 
Nach dem Shigar Nāma starb Amir Khan in der Festung von Kharku (Behrouz, S. 209).

Literatur

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
Koshrow Behrouz: Shigar- Nāma. Eine persische Verschronik über die Geschichte Baltistans. Kritische Textausgabe, Kommentar und Übersetzung. Unveröffentlichtes Manuskript aus den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts
Alexander Cunningham: Ladák. Physical, statistical, and historical; with notices of the surrounding countries. New Delhi 1977 (reprint)
A. H. Francke: Antiquities of Indian Tibet. Part (Volume) II. The Chronicles of Ladakh and Minor Chronicles. Texts and Translations, with Notes and Maps. (Reprint) New Delhi 1972
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. Das Original in Urdu wurde 1939 veröffentlicht
´Abdu-l Hamíd Láhorí: Bádsháh-náma. In: The History of India as Told by its Own Historians. The Muhammadan Period. The Posthumous Papers of the Late Sir H. H. Elliot. Edited and Continued by Professor John Dowson. Vol. VII. First Indian Edition. Allahabad 1964, S. 3-72

Autor: Dieter Schuh, 2010 

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Version in English:

Amir Khan (ruler of Kiris in Baltistan or Little Tibet)

Amir Khan was one of the most important rulers of the small Kingdom of Kiris in Baltistan. He ruled in Kiris since the 30s of the 17th century, and took part about 1678/79 in the war against Sher Khan. Under him, the lordly domain of Kiris temporarily streched  from the confluence of Shayok and Indus up to Kharku Northwest of Khaplu and thus included the area of Balghar and Daghoni in addition to Kuru .

Amir Khan is mentioned by the name Amir in the published lists of Cunningham and Francke. The main source of his life he is verse Chronicle Shigar Nāma, where he emerges in numerous places as official and close friend of Imam Quli Khan.

Amir Khan was the son of Ahmad Amir who ruled before him in Kiris. Of the two most important sons of Ahmad Amir one, Amir Khan, was raised in the Royal Court in Shigar while the other, Hatam was educated in Khaplu. Ahmad Amir divided his territory, leaving Amir Khan the rule over Kiris, while Hatam Khan inherited the place Kuru. After the commencement of their heritage there was a great enmity between Amir Khan and Hatam Khan. Therefore Imam Quli Khan sent troops to Kuru to support Amir Khan. The castle of Kuru was conquered and the lordship of Kuru was transferred to Amir Khan.

The first mentioning of Amir Khan in the Shigar Nāma dates back to the reign of Mughal emperor Shah Jahan (1627-1658). In 1636, the emperor Shah Jahan agreed to the proposal of Zafar Khan, the Governor of Kashmir, to send an army to Baltistan. The victorious troops from Kashmir captured the King Abdal Khan from Skardu and installed Muhammad Murad (Murad Khan) as a new ruler (Láhorí, S. 62f). This decision was later revised by Shah Jahan and Adam Khan, the brother of Abdal Khan, was appointed as ruler of Baltistan. During this time, the other local rulers in Baltistan, among them also Amir Khan of Kiris, allied themselves (Behrouz, S. 82f), against Murad Khan and expelled him from Shigar. After Murad Khan had withdrawn to Rondu,  Amir Khan, mentioned in the Shigar Nāma as "Prince of Kiris", was  appointed as vizier of the new ruler of Shigar Imam Quli Khan.

The obvious next mentioning of Amir Khan dates in the year 1650/51. At that time the ruler of Skardu  Adam Khan and his nephew Murad, both permanently residing in Kashmir, went with imperial troops to  Skardu. This resulted in a dismissal of Adam Khan´s longtime Governor in Baltistan Mirza Khan. In the retinue of King Imam Quli Khan of Shigar, who intervened in this conflict in order to help Adam Khan, was Amir Khan, the "Prince" of Kiris (Behrouz, p. 94).

During the years 1650-1658 Amir Khan participated with the troops from Shigar in Murad Khan's campaign against Kharbu (Unterladakh). Then he appears twice as the leader of troops from Shigar in the last two campaigns of Murad Khan against Gilgit.

After the death of Murad Khan alias Shah Murad (before 1674), the successor of Adam Khan (died about 1658), Amir Khan is mentioned several times as a follower of Imam Quli Khan. Sher Khan, a brother of Murad Khan, occupied the power in Skardu and tried to conquer Shigar. To secure the eastern flank of Shigar Imam Quli Khan sent Amir Khan to Kiris. The he made arrangements to counter the troops which were expected from Khaplu to support the forces of Sher Shah. When the troops led by Babur from Khaplu arrived in Kiris, it came to an open battle. The Babur's forces were defeated and a hundred and twenty his warriors were captured. After that news of the main assault of Sher Khan against Shigar reached Amir Khan. He withdrew with his forces of Kiris and joined the army of Imam Quli Khan in Shigar.

In the subsequent years (after 1665, before 1674) Amir Khan particularly plaid a role as commander during the conquest of Khaplu. For his merits Amir Khan gained the position of an Emir and was awarded by Imam Quli Khan with the supremacy over Kharku. His dominions extended thus temporarily from Kiris and Kuru, including Balghar and Daghoni up to Kharku .

After 1674, Amir Khan entrusted the management of Kiris to his Deputy Ismail Mir. Ismael Mir allied himself with Sher Khan and granted Sher Khan access to the castle of Kiris. The inhabitants of Kiris therefore were compelled to accept the rule of Sher Khan. For some time thereafter, Kiris belonged to the sphere of influence of Sher Khan. After 1674 Amir Khans supremacy over Kharku was lost for a short term also. When Amir Khan took part in the campaign against Sher Khan in Skardu
Hatam Khan and Yakub advanced from Khaplu and Hushe Valley towards Kharku and conquered the castle. Kharku was recaptured after a counterattack by troops from Shigar.

In following narratives of the Shigar Nāma about the war between Imam Quli Khan and Sher Khan, which led to the final defeat of Sher Khan after 1678/79, Amir Khan is no longer mentioned.

According to the Shigar Nāma, Amir died Khan in the fortress of Kharku (Behrouz, p. 209).

Literature

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
Koshrow Behrouz: Shigar- Nāma. Eine persische Verschronik über die Geschichte Baltistans. Kritische Textausgabe, Kommentar und Übersetzung. Unveröffentlichtes Manuskript aus den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts
Alexander Cunningham: Ladák. Physical, statistical, and historical; with notices of the surrounding countries. New Delhi 1977 (reprint)
A. H. Francke: Antiquities of Indian Tibet. Part (Volume) II. The Chronicles of Ladakh and Minor Chronicles. Texts and Translations, with Notes and Maps. (Reprint) New Delhi 1972
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. The Original in Urdu was published 1939
´Abdu-l Hamíd Láhorí: Bádsháh-náma. In: The History of India as Told by its Own Historians. The Muhammadan Period. The Posthumous Papers of the Late Sir H. H. Elliot. Edited and Continued by Professor John Dowson. Vol. VII. First Indian Edition. Allahabad 1964, S. 3-72

Author: Dieter Schuh, 2010