Tibet-Encyclopaedia

 

Abbildung 1: Khanqa-Gebetshalle von Kiris (Oktober 2007)

 Islamische Khanqa-Gebetshallen in Baltistan (Klein-Tibet)

Islamische Khanqa-Gebetshallen (auch Khanka oder Khanqah genannt) sind charakteristisch für Baltistan, wo sich heute noch mindestens zwanzig solcher Gebetshäuser finden. Die beiden größten dieser Hallen befinden sich in Khaplu und Kiris. Khanqas in Baltistan sind zumeist sehr große, nahezu quadratische, flachdachige, im Inneren häufig mit mehreren Säulen versehene Hallen. Vor ihrem Eingang ist stets eine große, sehr hohe Veranda gebaut, die die volle Breite der Gebetshalle abdeckt. Die Breite und Länge dieser Gebäude kann ca. 25 Meter erreichen. Die Traufhöhe erreicht nicht selten die Höhe von ca. 6 Metern. Nach Klimburg (S. 153) wurden die ersten Khanqas vermutlich in Kashmir gebaut und erst danach in Baltistan. Die Khanqas in Baltistan wurden zumeist von den Lehrern und Schülern der islamischen Nūrbakhshīya-Sekte errichtet. Khanqas sind neben den traditionellen Moscheen, den Matam Serai-Gedenkhallen, und den Astana-Grabmonumenten von Baltistan die wichtigsten religiösen Baudenkmäler Baltistans. Wie bei allen religiösen Bauwerken Baltistans liegen trotz der von A. H. Dani veröffentlichtenSkizzen einiger Khanqas genaue Aufmaße und Funktionsbeschreibungen der zahlreichen Räumlichkeiten dieser Gebäude nicht vor.

Inhaltsverzeichnis

1. Khanqa-Gebetshalle von Kiris
2. Khanqa-Gebetshalle von Khaplu
3. Khanqa-Gebetshalle von Shigar
4. Khanqa- Gebetshalle von Tagas
5. Khanqa-Gebetshallen von Saling, Daghoni, Balghar, Kuru, Gowari,Tolti, Kharku, Haldi, Tsheno, Machulu, Talis, Hushe, Balagrong, Khane und Khande
6. Literatur

   

Abbildung 2: Teilansicht der Veranda der Khanqa-Gebetshalle von Kiris (Oktober 2007)

 

Abbildung 3: Eingang der Khanqa-Gebetshalle von Kiris (Oktober 2007)

 1. Die Khanqa-Gebetshalle von Kiris

Nach Klimburg (S. 151, 154) findet sich die berühmteste Khanqa-Gebetshalle in Kiris, welches wegen seines wichtigen Grabmonuments (Astana) eines islamischen Heiligen das führende Wallfahrtszentrum Baltistans ist. Das Baujahr dieser Gebetshalle ist nach Afridi (S. 27) das Jahr 1706, wobei er sich auf eine Inschrift an diesem Khanqa als Quelle beruft. Nach Klimburg wurde diese Khanqah-i Maulla genannte Gebetshalle 1706 von dem Heiligen Hazrat Mir Mukhtar gebaut, dessen Grabmonument nach seinem Tod im Jahre 1718 unweit dieser Gebetshalle errichtet wurde.

Abbildung 4: Innenraum der Khanqa-Gebetshalle von Kiris nach Hughes (S. 123)

 Im Jahre 1815, dem Jahr der letzten Intervention von Truppen aus Ladakh in Baltistan, spielte dieser Khanqa eine den Krieg entscheidende Rolle. Um die gegnerischen Truppen aus der Burg von Kiris zu locken, beschossen die ladakhischen Truppen nicht etwa die Burg mit Mörsern, sondern nahmen den Khanqa von Kiris unter Beschuss. Die in der Burg verschanzten Krieger unternahmen daraufhin einen Ausfall. Während des folgenden Gefechts wurde einer der Balti-Krieger vom Truppenführer der Ladakhi mit dem Schwert erschlagen und die Balti nahmen Zuflucht in der Gebetshalle, die nun von den Ladakhi verriegelt wurde. Damit war der Krieg zwischen Ahmad Shah, dem König von Skardu, und den Ladakhis entschieden. Das Kriegsende wurde durch einen Friedensvertrag besiegelt, der allerdings nur kurze Zeit Bestand hatte.

   

Abbildung 5: Eingangstür der Khanqa-Gebetshalle von Kiris (Oktober 2007)

 

Abbildung 6: Kapitell der Veranda der Khanqa-Gebetshalle von Kiris (Oktober 2007)

 2. Die Khanqa-Gebetshalle von Khaplu

Ein 1913 aufgenommenes Photo der großen Khanqa-Gebetshalle in Khaplu wurde erstmalig von Dainelli (Filippi, S. 102) im Jahre 1923 veröffentlicht. Erbaut wurde diese Gebetshalle im Jahre 1712 von Sayyed Mohammad (Klimburg, S. 155). Im Inneren besitzt sie sechs Reihen von Säulen unterschiedlicher Stärke.

Abbildung 7: Seitenansicht der im Jahre 1712 erbauten großen Khanqa-Gebetshalle in Khaplu. Rechts davon das restaurierte Grabmonument (Astana) des Erbauers Sayyed Mohammad (Oktober 2007) 

 

   

Abbildung 8: Innenraum der großen Khanqa-Gebetshalle von Khaplu. Photo nach Klimburg, S. 153.

 

Abbildung 9: Eingangstür der großen Khanqa-Gebetshalle von Khaplu (Oktober 2007)

 

Abbildung 10: Veranda der großen Khanqa-Gebetshalle von Khaplu (Oktober 2007)

Erhebliche Veränderungen wurden in den Jahren 2011 und 2012 durch einen Erweiterungsbau an der alten Khanqa-Gebetshalle von Khaplu vorgenommen.Zur Vergrößerung der Halle wurden die südliche sowie 2/3 der westlichen Außenwand komplett entfernt. Im Mai 2012 waren die Bauarbeiten noch nicht angeschlossen. Immerhin wurde für den Erweiterungsbau die traditionelle Fachwerkbauweise verwendet.

Abbildung 10a: Ostseite des Anbaus der großen Khanqa-Gebetshalle von Khaplu (Mai 2012)

Abbildung 10b: Bis auf den Außenputz fertiggestellte Westseite des Anbaus der großen Khanqa-Gebetshalle von Khaplu (Mai 2012)

Abbildung 10c: Erweiterter Innenraum der Khanqa-Gebetshalle von Khaplu (Mai 2012)

3. Die Khanqa-Gebetshalle von Shigar

Die große Khanqa-Gebetshalle von Shigar liegt am westlichen Ende des alten Basars, welcher mit Hilfe des Aga Khan Trust for Culture wiederhergestellt wurde. An die Gebetshalle schließt sich nach Westen ein größerer Komplex mit Heiligengräbern an. Nach Klimburg (S. 154) wurde diese Gebetshalle von Mir Yahya im Jahre 1647 errichtet, was deshalb ein Problem darstellt, weil er das Todesjahr von Mir Yahya (Klimburg, S. 157) mit 1632 angibt. Vermutlich hat Dani recht, nach dem dieser Khanqa 1614 errichtet wurde. Das erste Photo dieser Gebeteshalle wurde von Filippi 1923 mit einem zusätzlichen Detailphoto des auf der Südseite befindlichen Balkons veröffentlicht. Filippi gibt auch eine detaillierte Beschreibung dieser Halle. Besondere Beachtung verdient auch der turmartige Dachaufsatz, eine Form der Dachgestaltung, die architekturgeschichtlich wegen ihrer besonderen Form häufig mit buddhistischen Stûpas in Verbindung gebracht wird. Vergleichbare Dachaufsätze finden sich insbesondere auf den Dächern von Grabmonumenten und Moscheen in Baltistan.

Abbildung 11: Die große Khanqa-Gebetshalle von Shigar (Oktober 2007) 

 

   

Abbildung 12: Nordseite der Khanqa-Gebetshalle von Shigar (Oktober 2007)

 

Abbildung 13: Südbalkon der großen Khanqa-Gebetshalle von Shigar (Oktober 2007)

 

   

Abbildung 14: Eingangstür zur großen Khanqa-Gebetshalle von Shigar (Oktober 2007)

 

Abbildung 15: Innenraum der großen Khanqa-Gebetshalle von Shigar (Oktober 2007)

 4. Die Khanqa-Gebetshalle von Tagas

Tagas ist ein kleiner Ort, der am Saltoro-Fluss nördlich des Shayok gelegen ist. Nach der Volkszählung von 1951 hatte Tagas 564 Einwohner. Bei der Volkszählung von 1961 war die Einwohnerzahl auf 734 Personen angestigen (Afridi, S. 276). Auf der beigefügten Karte (Abbildung 16) ist die Lage dieses Ortes nordöstlich von Khaplu gut zu erkennen. Man erreicht den Ort, nachdem man östlich von Khaplu die nach Saling führende Brücke über den Shayok überquert hat. Nach Afridi (S. 27) befindet sich in Tagas die älteste Khanqa-Gebetshalle von Baltistan. Nach Hughes (S. 120) wurde die Khanqa-Gebetshalle von Tagas von Mir Aref erbaut. Ein Bild dieses Khanqa wurde von Klimburg (S. 151) publiziert. Ein Grundriss wurde erstmalig 1989 von A. H. Dani (S. 142) veröffentlicht.

Abb. 17a: Die Khanqa-Gebetshalle von Tagas. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012) 

      

Abbildung 16: Lage von Tagas nord-östlich von Khaplu

 

Abbildung 17: Khanqa-Gebetshalle von Tagas nach Klimburg (S. 151)

 

Abbildung 18: Grundriss der Khanqa-Gebetshalle nach A. H. Dani (1989)

 5. Die Khanqa-Gebetshallen von Saling, Daghoni, Balghar, Kuru, Gowarii, Tolti, Kharku, Haldi, Tsheno, Machulu, Talis, Hushe, Balagrong, Khane und Khande 

Über die Enstehungszeit und die Gründer der Khanqa-Gebetshallen der Orte Saling, Daghoni, Balghar, Kuru, Gowari, Tolti,Garbong-Kharku, Haldi,Tsheno (siehe Saltoro), Machulu, Talis, Hushe, Balagrong, Khane (siehe Hushe-Tal) und Khande (siehe Hushe-Tal) liegen mir keine Forschungsergebnisse vor. Einige dieser Gebetshallen zeigen deutliche Spuren von Erneuerungsarbeiten, wobei noch nicht beurteilt werden kann, inwieweit die Umbauten in die Substanz der Gebäude eingegriffen haben. Da alle diese Orte in eigenen Artikeln in dieser Tibet-Encyclopaedia abgehandelt werden, werden die zugehörigen Khanqas in den entsprechenden Artikeln bildlich möglichst ausführlich dokumentiert. Deshalb genügt es an dieser Stellle, die einzelnen Gebetshallen mit kleineren Abbildungen einführend vorzustellen.

      

Abbildung 19: Khanqa-Gebetshalle von Saling (Oktober 2007)

 

Abbildung 20: Khanqa-Gebetshalle in Daghoni (Oktober 2007)

 

Abbildung 21: Khanqa-Gebetshalle in Balghar (Oktober 2007)

 

      

 Abbildung 22: Khanqa-Gebetshalle von Kuru (Oktober 2007) 

 

Abbildung 23: Khanqa-Gebetshalle von Gowari (Gwali) (Oktober 2007)

 

 Abbildung 24: Khanqa-Gebetshalle von Tolti (Oktober 2007) 

      

Abbildung 25: Khanqa-Gebetshalle von Garbong-Kharku (Mai 2012)

 

Abbildung 26: Khanqa-Gebetshalle von Haldi (Mai 2012)

 

Abbildung 27: Khanqa-Gebetshalle von Tsheno (Mai 2012)

      

Abbildung 28: Khanqa-Gebetshalle von Machulu (Mai 2012)

 

Abbildung 29: Khanqa-Gebetshalle von Talis (Mai 2012)

 

Abbildung 30: Khanqa-Gebetshalle von Hushe (Mai 2012)

      

Abbildung 31: Khanqa-Gebetshalle von Balagrong (Mai 2012)

 

Abbildung 32: Khanqa-Gebetshalle von Khane (Mai 2012)

 

Abbildung 33: Khanqa-Gebetshalle von Khande (Mai 2012)

6. Literatur

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
Shahzad Bashir: Messianic Hopes and Mystical Visions. The Nurbakhshiya between Medieval and Modern Islam. Columbia, South Carolina 2003
Ahmad Hasan Dani: Islamic Architecture. The Wooden Style of Northern Pakistan. Islamabad 1989

Filippo De Filippi: Storia della spedizione scientifica Italiana nel Himalaia Caracorum e Turchestan Cinese (1913-1914). Bologna 1923
Richard Hughes: Vernacular Architecture and Construction Techniques in the Karakoram. In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 99-132
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. Das Original in Urdu wurde 1939 veröffentlicht
Max Klimburg: Traditional Art and Architecture in Baltistan. In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 149-164
Dieter Schuh: Herrscherurkunden und Privaturkunden aus Westtibet (Ladakh), Halle 2008 (= Monumenta Tibetica Historica, Abteilung III. Diplomata, Epistolae et Leges, Band 11)
Dieter Schuh: Die Herrscher von Baltistan (Klein-Tibet) im Spiegel von Herrscherurkunden aus Ladakh. In: Chomolangma, Demawend und Kasbek. Festschrift für Roland Bielmeier zu seinem 65. Geburtstag. Band 1: Chomolangma, Halle 2008, S. 165-225

Autor: Dieter Schuh, 2010. Ergänzt 2012 (4. Die Khanqa-Gebetshallen von Khaplu, Tagas usw.) Bildnachweise: Abbildungen 8, 17 und 18 nach Klimburg. Abbildung 4 nach Hughes. Alle anderen Abbildungen: Dieter Schuh.

Für wissenschaftliche Zitationen benutzen Sie bitte nur die gedruckte Ausgabe/For scientific quotation please use the printed edition only.