Tibet-Encyclopaedia

 

 

Abbildung 1: Die Oase Tagas mit der Khanqa-Gebetshalle. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

Tagas (Baltistan) 

Tagas (auch Thagas geschrieben) ist eine im Osten Baltistans im Saltoro-Tal gelegene Oase. Der Ort gehörte früher zum Königreich Khaplu und ist heute dem Gangche-Distrikt zugeordnet. Bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts war Tagas der Hauptort eines gleichnamigen Kreises (Patwar), der neben Tsheno und Haldi auch die am linken Ufer des Hushe-Flusses gelegenen Orte Balagrong und Khane umfaßte. Historisch bedeutsam ist der Ort wegen seiner religiösen Bauwerke, die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden sind. Heute liegt Tagas im militärischen Sperrgebiet und ist für ausländische Besucher nur mit einer Sondergenehmigung erreichbar.

   

Abbildung 2: Lage von Tagas nordöstlich von Khaplu (Khapalu). Ausschnitt aus "India and Pakistan" (Jammu and Kashmir) Ni-43-03. 1:250.000. Mundik

 

Abbildung 3: Lage von Tagas nach der Karte der Eheleute Workman

Abbildung 4: Die Oase Tagas mit der Khanqa-Gebetshalle. Im Hintergrund der Saltoro-Fluß. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

Die erste mir bekannte Erwähnung von Tagas stammt von Fanny Bullock Workman und ihrem Mann William Hunter Workman (S.47), die 1911/12 von Haldi aus das Saltoro-Tal bereisten. Die Workmans veröffentlichten auch ein Photo einer alten Moschee (siehe Saltoro, Abb. 20), die nach Hashmatullah Khan (S. 120, 146) 1602/1603 von den Brüder Syed Nasir Tusi und Syed Ali Tusi errichtet wurde. Nach A. H. Dani (S. 141) wurde diese an einem Bergbach gelegenen Moschee 1972 von einer Flut zerstört (siehe auch oben S. 238). Den ersten ausführlichen Bericht über die Khanqa-Gebetshalle von Tagas verdanken wir A. H. Dani (S. 141 – 144), der auch einen Grundriß der Khanqa veröffentlichte. Nach Dani wurde diese Gebetshalle von Mir Arif errichtet. Eine Quelle zu dieser Feststellung gibt Dani nicht an.

Abbildung 5: Khanqa-Gebetshalle von Tagas mit den beiden Astana-Grabmonumenten. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

Abbildung 6: West- und Südseite der Khanqa-Gebetshalle von Tagas mit den beiden Astana-Grabmonumenten. Im Vordergrund: Teilansicht eines größeren Friedhofs. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

Abbildung 7: Innenraum der Khanqa-Gebetshalle von Tagas. Unten sieht man Meditationszellen, oben Plätze für Frauen. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

   

Abbildung 8: Meditationszelle der Khanqa von Tagas. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

 

Abbildung 9: Eingangstür der Khanqa von Tagas. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

Neben der Khanqa findet sich das Astana-Grabmonument von Mir Aref, der nach einer Inschrift 1651 oder 1655 gestorben sein soll. Die Zuordnung des Astana zu Mir Aref wird von Dani mit dem Worten „it is said“ begründet. Sollte diese Angaben von Dani, die offenbar alle auf Hörensagen beruhen, stimmen, wäre die Khanqa-Gebetshalle um die Mitte des 17. Jahrhunderts errichtet worden. Ein weiteres Astana-Grabmonument findet sich neben diesem Mir Aref zugeschriebenen Monument und grenzt unmittelbar an den Platz vor der Gebetshalle an. Dieses Monument schreibt Dani einem Mir Ishaq zu, den er als Sohn eines Sayyid Mir Mukhtar bezeichnet. Ein Stammbaum der Familie dieses Heiligen findet sich (ohne Quellenangabe) in Dani, S. 133f. Nach Dani (S. 134) errichtete Mir Mukhtar im Jahre 1706 die Khanqa-Gebetshalle von Kiris. Die Errichtung des zweiten Astana von Tagas könnte somit in die ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts fallen.

Von dem Mir Aref zugeschriebenen Astana besitzen wir ein ausgezeichnetes historisches Photo, das Klimburg (S. 121) veröffentlicht hat. Der Vergleich mit dem heutigen Zustand zeigt, daß das alte Grabmonument abgerissen und durch ein Neues ersetzt worden ist. Das dabei angewandte Vorgehen kommt meines Erachtens einer Vernichtung des alten Baudenkmals gleich. Ähnliches gilt für das Grabmonument von Mir Ishaq.

Vergleicht man den heutigen Zustand der Khanqa-Gebetshalle von Tagas mit den Photos, die A. H. Dani 1989 veröffentlicht hat, so sind größere Veränderungen nicht festzustellen. Allerdings ist der heutige bauliche Zustand teilweise so schlecht, daß eine grundlegende Erneuerung zu befürchten ist. Es ist nur zu hoffen, daß dabei Grundsätze der Denkmalpflege beachtet werden.

   

Abbildung 10: Astana-Grabmonumente von Mir Aref und Mir Ishaq in Tagas neben der Khanqa-Gebetshalle vor der  Restaurierung (nach Hughes, S. 121)

 

Abbildung 11:  Die Astanas von Mir Aref und Mir Ishaq nach ihrem Neubau. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

   

Abbildung 12:  Sarkophag im Inneren einer der beiden Astanas von Tagas. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

 

Abbidung 13:  Inschrift in einem der beiden Astana von Tagas. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

   

Abbildung 14: Dachkonstruktion eines der beiden Astana in Tagas. Photo: Muhammad Kamal (Mai 2012)

 

Abbildung 15: Inschrift vor einem der beiden Astana in Tagas. Photo: Muhamad Kamal (Mai 2012)

Literatur

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
Ahmad Hasan Dani: Islamic Architecture. The Wooden Style of Northern Pakistan. Islamabad 1989
Richard Hughes: Vernacular Architecture and Construction Techniques in the Karakoram. In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 99-132
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. Das Original in Urdu wurde 1939 veröffentlicht
Dieter Schuh: Reise in die Geschichte Baltistans, 3 Bd. Andiast 2011
Fanny Bullock Workman and William Hunter Workman: Two Summers in the Ice-Wilds of Eastern Karakoram. The Exploration of nineteen hundred Square Miles of Mountain and Glacier. New York [1917]

Autor: Dieter Schuh, 2012

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