Tibet-Encyclopaedia

 

Abbildung 1: Der auf der linken Seite des Indus gelegene Hauptort des ehemaligen Königreiches Rondu (der Ort wird heute auch Mendi genannt) von der Straße nach Skardu aus photographiert. Im Vordergrund unten rechts der Indus. Das zweite Haus unten links ist die neuerbaute Residenz der ehemaligen Herrscher von Rondu. Rechts daneben erstreckt sich der Polo-Spielplatz (Oktober 2008)

Rondu

Rondu (auch Randoh, Rongdo, Rundu, Runk, Royal, Royul, Rong-yul und Rong-mdo geschrieben) ist die Bezeichnung eines in Baltistan (Klein-Tibet) gelegenen, ehemaligen Königreiches und seines Hauptortes. Letzterer wird auch Mendi genannt. Rondu gehörte zu den drei kleineren Herrschaftsgebieten der sechs Königreiche von Baltistan. Das Herrschaftsgebiet Rondu erstreckt sich vom westlichen Ende des Skardu-Tals nach Westen über etwa 100 km entlang des Indus bis nach Shengus vor großen Kehre dieses Flusses, mit der sich dessen Verlauf nach Süden wendet. Heute ist Rondu ein Teil des neugebildeten Skardu-Distrikts und durch eine auf der rechten Seite des Indus verlaufende Straße erschlossen, die als Abzweig des Karakorum Highway durch die sehr steile Indus-Schlucht bis in Skardu-Tal führt. Die teilweise winzigen Siedlungen von Rondu sind auf bzw. vor den Hängen der Indusschlucht gelegen.

Abbildung 2: Lage des ehemaligen Königreiches Rondu auf beiden Seiten des Indus und seines ebenfalls Rondu bzw. Mendi genannten  Hauptortes. Das Gebiet von Rondu erstreckt sich bis nach Shengus (Shengoos). Ausschnitt aus einer vom Aga Khan Cultural Service Pakistan erstellten Übersichtskarte  

Abbildung 3: Der östliche Teil von Rondu von Bragardo (Bagardu, Bhagardu, unten rechts) bis zum Tal von Stag (oben links). Ausschnitt aus "India and Pakistan" (Jammu and Kashmir) Ni-43-03. 1:250.000. Mundik

Inhaltsverzeichnis

1. Entdeckungsgeschichte
2. Das Land Rondu und sein Hauptort
3. Zur Geschichte von Rondu
4. Literatur

1. Entdeckungsgesschichte

Eine erste Erwähnung dieses ehemals kleinen Königreiches mit der Bezeichnung Runk als Distrikt von Bálti(stan) finden wir in Mirza Haidars (1499-1551) berühmten Werk Tarikh-i-Rashidi (S. 410). In den bisher bekannt gewordenen Urkunden aus Ladakh wird Rondu als Rong-yul in einer von A. H. Francke (S. 228-235) herausgegebenen und übersetzten Herrscherurkunde des ladakhischen Königs Dekyong Namgyel (bDe-skyong rnam-rgyal) (1729-1739) mehrfach erwähnt. Die Urkunde beschreibt die Eroberung von Rondu durch den König Azam Khan von Shigar im Jahre 1722, die Teilnahme von Truppen aus Rondu in der Schlacht von Kiris im Jahre 1723 und die Flucht des in der Schlacht von Kiris vollständig besiegten Azam Khan nach Rondu. Daneben findet sich in einer Urkunde aus dem Jahre 1817 im Zusammenhang mit der Darstellung von Ereignissen des Jahres 1806 die Erwähnung eines Mu-rad Jo, bei dem es sich um den in der Liste von Cunningham (S. 37) über die Herrscher von Rondu aufgeführten 7. Herrscher Murad Khan handeln dürfte (siehe Schuh, S. 193 und 221). Die für westliche Leser zugängliche, erstmalige Erwähnung von Rondu unter der Bezeichnung Randoh stammt von Captain Claude Martine Wade (1794-1861), der dieses Herrschaftsgebiet als eine dem Skardu-Herrscher Ahmad Shah unterstellte Region in einem 1835 im Journal of the Asiatic Society of Bengal erschienenen Aufsatz aufführte (Wade, S. 596). Nach Wade wurde Rondu im Jahre 1829 von Ali Khán, einem Neffen von Ahmad Shah, verwaltet. Nach Wade benötigte man vom Hauptort von Rondu, dem heutigen Mendi, nach Gilgit fünf Tagesreisen. Moorcroft-Trebeck (ihr Buch erschien 1841) zählten Rondu unter der Bezeichnung Rundu als ein Teilgebiet von Baltistan auf, das Ahmad Shah unterstellt war (Part II, S. 261).

Abbildung 4: Das Königreich Rondu nach der im Jahre 1842 von John Walter nach den Angaben von Godfrey Thomas Vigne angefertigten Karte von Bragardo (Bargardeh) unten rechts bis Shingus (Shing) oben links

Godfrey Thomas Vigne, der Baltistan zwischen 1835 und 1838 mehrfach bereiste, hat offenbar persönlich Rondu nicht aufgesucht. Vignes Bericht über Rondu beruht deshalb auf der Darstellung von Vertrauten, die er von Skardu aus nach Gilgit geschickt hatte (S. 304f): „I had despatched my faithful munshi, Ali Mohamed, and a Hindustani servant, who had been a sepahi in the Company´s service, to Gilghit, … They followed down the course of the Indus from Iskardo, and described the path as very difficult and dangerous in many places. The first place they came to was Rondu or Royul; a small state with a fort, and a Rajah who is a connexion of, and a tributary to, Ahmed Shah. Its mountains produce a great quantity of crystal, and mumiai, or rock asphaltum. There is no horse-path to it from Iskardo, excepting by the way of Husára, Sták, and Sterikoh; places that intervene between Rondu and Haramosh.” Von herausragender Bedeutung ist der Rondu betreffende Teil der Baltistan-Karte, welche in der im Jahre 1842 von John Walter nach den Angaben von Godfrey Thomas Vigne im Auftrag der East India Company erstellten Landkarte „Kashmir; With its Passes; Ladak & Little Tibet, The Mountain Course of the Indus; and the Alpine Pajab generally“ enthalten ist. Hiermit wurde erstmalig das Königreich Rondu mit einer Anzahl seiner Orte auf einer Landkarte verzeichnet.

Abbildung 5: Die Schlucht des Indus zwischen Shengus und dem Hauptort von Rondu (Mendi). Rechts oben sieht man die neue Autostraße, die den Karakorum-Highway mit Skardu verbindet (Oktober 2007) 

Abbildung 6: Eine der typischen kleinen Siedlungen auf der linken Seite des Indus zwischen Shengus und dem Hauptort  von Rondu (Mendi) (Oktober 2007)

Der erste Europäer, von dem wir wissen, dass er Rondu persönlich aufsuchte, war Thomas Thomson. Er verbrachte den ganzen Winter 1847/48 gezwungener Maßen in Baltistan, da seine Rückreise von Baltistan nach Kaschmir im Dezember 1847 wegen der Unpassierbarkeit der Pässe sich als undurchführbar erwies. Am 25. Februar 1848 brach Thomson zu einer Reise nach Rondu auf, für die er zehn Tage eingeplant hatte. Thomson überquerte zunächst den Indus westlich von Skardu mit einem Boot und reiste auf der rechten Seite des Indus. Über seinen Reiseweg nach dem Verlassen des Skardu-Tales schrieb er unter anderem das Folgende (S. 251-255):

„It is but seldom that the stony bed of the river or the alluvial platforms overhanging it, afford a level road for a few hundred yards at a time. In general the path continually ascends and descends over each successive ridge; the elevation to which it is required to ascend to find a practicable passage, varying from a few hundred or several thousand feet above the bottom of the valley. In at least eight or ten places between Iskardo and Rondu, the path ascends or descends by mean of ladders placed against the face of a perpendicular wall of rock, or crosses fissures in the cliffs by planks laid horizontal over them. This road is therefore quite impracticable for beasts of burden or horses, and is never used except in winter, when no other route is open to the traveller.
As the road lies altogether on the north or right bank of the Indus, the elevation and appearance of the mountains on that side cannot well be seen. This range separates the Indus valley from that of Shigar, which is in no part of Rondu more than twenty miles distant, and is crossed in several places by passes at the head of larger ravines. These passes being still blocked up with snow…
The villages of Rondu are not numerous, and are of very small extent; still every spot seems to be occupied by a small patch of cultivation. In the lower part of the district, where the lateral ravines are of greater length, they open out above the very steep slope, by which the debouche into the Indus, into gently sloping open valleys. The villages of Thawar and Murdu, being situated in these open valleys, are much more extensive than any close to the Indus. The fort of Rondu is on the left bank of the river, on a platform perhaps two hundred feet above its level, nearly opposite the end of the Thawar valley…
From Iskardo to Thawar, a large village in a lateral ravine on the north side of the Indus, almost opposite to the fort of Rondu, the road distance is about forty miles. As five days were employed in traversing this distance, the average day´s journey was only eight miles; and yet, from the difficult nature of the road, all the marches appeared long, and were felt to be very fatiguing. …
The Indus is crossed by a swing-bridge of willow twigs, which leads from the villages on the north bank to the fort of Rondu. From Thawar I descended to this bridge, …
The villages of Rondu, though mostly small, have abundance of fruit-trees. The apricot is still the commonest of these; but there are also many fine walnuts, and plenty of vines climbing up the trees, and remarkable for the great size of their trunks. Willows are very common, and two kinds of poplar,..”

   

Abbildung 7: Bild der Brücke über den Indus bei Rondu (Mendi) zur Zeit von Thomson nach Cunningham, S. 88 (Plate III)

 

Abbildung 8: Blick von der neuen Brücke über den Indus bei Rondu nach Osten auf die Indus-Schlucht. Der Bergpfad, der zur alten Brücke führte, ist auf dem Felsen links gut zu erkennen (Oktober 2008)

Abbildung 9: Die heutige moderne Brücke über die Indus-Schlucht bei Rondu (Mendi) (Oktober 2008)

Cunningham (S. 35f), der Baltistan nicht selbst bereist hat, gibt in seinem 1854 veröffentlichen Werk über Ladakh die Größe des Herrschaftsbereiches Rondu mit 1440 Quadratmeilen an. Er beschrieb den Ort und das zugehörige Tal wie folgt: „Rongdo is the last Tibetan district on the Indus to the westward of Balti. On the north lie Shigar and Hunza-Nagar, and to the west and south are Gilgit and Astor. The name means “district of defiles,” and is descriptive to the bed of the Indus, which throughout Rongdo is a deep rocky gorge. The district extends from Gurbidas to a tree at Makpo-i-Shang-Rong, …”. Cunningham veröffentlichte auch eine Liste der Herrscher von Rondu, die 9 Namen umfasst.

Weitere Information über Rondu finden sich in dem 1875 veröffentlichten Buch von Frederic Drew (S. 371-376), in dem er in einem kleinen Kapitel über seine Reise in dieses Land berichtet. Drew reiste auf der linken des Indus über Kachura (Katsura) und Basha (Basho) bis zum Hauptort von Rondu (Mendi). Den Weg zwischen Kachura und Basha beschrieb er folgendermaßen: „Between Katsūra and Bāsho the road leads us, some hundreds of feet above the river, sometimes across taluses, sometimes on the face of the cliff, often being carried over frail wooden stages that have with difficulty being fixed; the way is rough and difficult.” Drew (S. 375) verdanken wir auch eine detaillierte Beschreibung der Brücke, die über den Indus nach Mendi führte (siehe Abbildung 7): “The river flows past, some hundreds of feet below the level of the village, between perpendicular rocks of massive gneiss; in a narrow part it is spanned by a rope-bridge, made of birch-twigs, which is 370 feet long in a curve, with a fall in it of some 80 feet, the lowest part being about 50 feet above the stream. The approach to the bridge is over slippery rocks; the path to it is so narrow and difficult that one´s steps have to be aided in many places by ladders.”

Für eine Beschreibung von Reiserouten, die nach Rondu führten, seien auf die Wegbeschreibungen von Arthur Neve (S. 117f und 121) und Arora (S. 201ff und 211) verwiesen. Hinweise auf die Geschichte von Rondu finden sich auch bei A. H. Francke (S. 194) sowie verstreut in den Werken von Hashmatullah Khan und Banat Gulf Afridi. Als Quelle für die Geschichte Rondus im 17. Jahrhundert ist noch das Shigar-Nāma aufzuführen. Letztendlich seien hier noch die Reiseführer Lonely Planet (S. 302) und "Pakistan" von Michael Beek (S. 235) erwähnt.

2. Das Land Rondu und sein Hauptort

Die oben zitierten Erläuterungen von Vigne und Thomson machen deutlich, dass Rondu in der Vergangenheit von den sechs Herrschaftsgebieten von Baltistan das am Wenigsten zugängliche Land war. Von Skardu aus war Rondu nach Thomson im Winter nur über die äußerst schwierig zu begehenden Routen entlang der rechten und linken Seite des  Indus zu erreichen. Für die Wegstrecke nach Mendi  benötigte Thomson auf diesem Weg, der für Last- und Reittiere unbenutzbar war, fünf Tage, wobei Teile des Weges nur mit Leitern und über gefährliche Bergpfade begehbar waren. Die einzelnen Stationen dieses Weges wurden auch von Arora (S. 201) beschrieben. Hiernach gelangte man nach der Überquerung des Indus mit einer Fähre westlich von Skardu nach ca. 19 km zu dem im Skardu-Tal gelegene Komaru. Die nächste Station war Tsari (Abbildung 3), das man bei einer Entfernung von ca. 16 km über schwer begehbare Pfade (path rough) erreichte. Der nächste Tagesmarsch führte über den Bagicha-Pass zu dem ca. 16 km entfernten Toongas (Abbildung 3: Tungas). Die am folgenden Tag zu erreichende Station war Dasu (siehe Abbildung 3), das ca. 14 km von Toongas entfernt war. Von Dasu aus erreichte man am fünften Tag das 16 km entfernt liegende Mendi.

Die im Sommer begehbaren Wege waren offenbar keineswegs leichter zu bewältigen. Von Skardu aus benutzte man die schwierige Reiseroute nach Astor, von der man nach vier oder fünf Tagesreisen nach Norden abzweigte, um über den Harpo-Pass (Harpo La) oder weiter westlich über Thengi (Thingeh) nach Norden in Richtung Mendi abzuzweigen (siehe Abbildung 10a und 10b). Über beide Wegstrecken schreibt Arora (S. 201), dass sie für Lasttiere ungeeignet und nur zwischen dem 15. Juli und dem 15. Oktober geöffnet waren.  

   

Abbildung 10a: Astor und der nach Osten führende Weg nach Skardu. Hinter Thengi zweigt die erste Route, über die man nach Rondu gelangt, nach Norden ab

 

Abbildung 10b: Verbindungswege von Skardu nach Rondu (schwarz und rot). Im unteren Teil sieht man die von Osten nach Westen verlaufende Route zwischen Skardu und Astor. Von dieser Route zweigen in nördlicher Richtung Wege nach Kachura (Katzarah) (rechts) und Rondu (links) ab 

Schließlich ist hier noch die nur im Sommer benutzbare Verbindung zwischen dem Königreich Shigar und Rondu zu erwähnen. Auf diese Verbindung hatte schon Vigne hinwiesen, indem er auf seiner Kaschmir Karte (siehe Abbildung 4) zu den heißen Quellen (Chutrun, Chu Tran)  im Basha-Tal den Vermerk „Two days with horses to Tormik above Cas. of Rondu“ eintragen ließ. Arora (S. 211) erwähnt diese Route als „Chutrun to Rondu (Mendi) Via Ganto La“ und kennzeichnet sie als „sportsmen´s rout and difficult.“ Nach Neve (S. 121) ist diese Strecke ab dem Monat Juni begehbar. Vom Tormik-Tal erreicht man über den Stag-Pass (Stag La) auch die Ortschaft Stag und seine zerstörte Festung (siehe Abbildung 11). Von Stag aus führt eine weitere Verbindung nach Gilgit.

Abbildung 11: Alte Verbindungswege zwischen dem  Basha-Tal (Königreich Shigar) und Rondu

In den 70ger Jahren des vorigen Jahrhunderts änderten sich mit dem Bau einer von PKWs und LKWs befahrbaren Straße, die vom Karakorum-Highway über 170 km bis nach Skardu führt und im Bereich von Rondu auf der rechten Seite des Indus verläuft, die wirtschaftlichen Gegebenheiten in Rondu grundlegend. Ebenso wichtig für diese Region war die Errichtung von Brücken zwischen den Orten auf der linken Seite des Indus und der rechten Flussseite (siehe Abbildungen 9 und 13), wenn ich auch an einer Stelle beobachten konnte, dass die von Ursula Sagaster (S. 186) beschriebenen und photographierten alten Seilverbindungen zwischen den beiden Ufern des Indus auch heute noch benutzt werden (Abbildung 12). Einen besonderen Aufschwung erlebten naturgemäß die Orte, die unmittelbar an der Verbindungsstraße liegen. Durch die Ansiedlung von Geschäften, KFZ-Reparaturwerkstätten Übernachtungsmöglichkeiten etc. entwickelt sich eine völlig neue Wirtschaftsstruktur. Genauere Angaben zu diesen wirtschaftlichen Veränderungen sowie den Bau von Schulen und medizinischen Versorgungseinrichtungen liegen mir aber nicht vor.

Abbildung 12: Flussüberquerung auf einer Seilverbindung zwischen dem rechten und linken Ufer des Indus in Rondu (Oktober 2008)

Abbildung 13: Neue Brücke über den Indus in Rondu (Oktober 2008)

Abbildung 14: Ansiedlung neuer Geschäfte in Rondu an der Verbindungstraße zwischen Karakorum-Highway und Skardu (Oktober 2008)

Nach der Volkszählung des Jahres 1911 lebten in Rondu 9655 Personen (Hashmatullah Khan, S. I). 1951 zählte man in dem Rondu Niabat 11770 Personen und 1961 betrug die Bevölkerungszahl 12444 (Afridi, S. 270f). Die größten Orte waren Stak mit (1961) 1818 und das unweit des Hauptortes Rondu (Mendi) auf der rechten Seite des Indus gelegene Thowar mit (1961) 1200 Einwohnern. Shigus, der westliche Außenposten des Königreichs, war (1961) mit 94 Bewohnern nach Tungus mit (1961) 62 Personen der zweitkleinste Ort. Die Liste der Siedlungen des Rondu Niabat von Afridi umfasst 24 Orte. Sie beginnt mir Shengus im Westen und endet mit dem im Osten an der Grenze nach Skardu gelegenen Bragardu.

Mendi, der Hauptort von Rondu (siehe auch Abbildung 1), war eigentlich nur ein kleines Dorf mit (1961) 238 Einwohnern. Seine herausragende Stellung verdankte dieser Ort ausschließlich der Tatsache, dass sich hier die Residenz der Herrscher von Rondu befand. Die einzige mir vorliegende Beschreibung dieser Wohnburg stammt von Drew (S. 375) und wurde 1875 veröffentlicht: „On a separate, narrow, nearly isolated, plateau is the Raja´s house, which is called the Fort. It is a curious building, made of courses of stone and wood, with corner-pillars and doorways of the same slab-arrangement that we saw in Bhadarwāh.“

Als ich im Oktober 2008 Mendi besuchte, war die alte Wohnburg abgerissen. An der gleichen Stelle hatte man ein neues Gebäude errichtet, dessen Rohbau gerade fertiggestellt worden war. Unmittelbar neben dem diesem neuen Wohngebäude befindet sich der Polo-Spielplatz. Dazwischen findet man noch einige ältere Gebäude, die vermutlich von Personen bewohnt werden, die im Dienst der Königsfamilie stehen.

   

Abbildung 15: Die alte, inzwischen abgerissene Wohnburg von Rondu nach Hughes, S. 107

 

Abbildung 16: Neubau der ehemaligen Residenz der Herrscher von Rondu, errichtet an der Stelle der abgerissenen alten Burg  (Oktober 2008)

Abbildung 17: Älteres Gebäude im Bereich der Residenz der ehemaligen Herrscher von Rondu in Mendi (Oktober 2008)

Abbildung 18: Der Polo-Spielplatz unweit der Herrscherresidenz in Mendi (Oktober 2008)

Mendi vermittelt heute dem Besucher den Eindruck, als sei die neue Zeit in diesem Dorf noch nicht angekommen. Wie viele Orte in Baltistan ist es ein idyllisches Dorf geblieben, dessen Bewohner hauptsächlich von der Landwirtschaft leben.  Als ich 2008 Mendi besuchte, war der Umbau  bzw. der Neubau der Moschee noch nicht abgeschlossen. Vermutlich hat man wie in Nar die alte Moschee abgerissen und durch ein neues Gebäude ersetzt, dessen architektonische Qualitäten ich nicht bewerten möchte.

Abbildung 19: Dorfstraße in Mendi (Oktober 2008)

Abbildung 20: Erntezeit in Mendi (Oktober 2008)

Abbildung 21: Neubau einer Moschee in Mendi (Oktober 2008)

3. Zur Geschichte von Rondu

Über die Geschichte von Rondu vor dem 17. Jahrhundert sind uns durch historische Quellen keinerlei Fakten belegt. Eine erste genealogische Auflistung der Herrscher von Rondu wurde, allerdings ohne Angabe von Quellen, 1854 von Cunningham veröffentlicht. Nach Cunningham gehörten die Herrscher von Rondu zu einer Nebenlinie der Makpon-Herrscher von Skardu und regierten in Abhängigkeit von Skardu. Die von Francke (S. 194) veröffentlichte Liste dieser Herrscher ist nur eine Kopie dessen, was Cunningham veröffentlichte, wobei Francke nur die von Cunningham erfundenen Jahresangaben der Regierungszeiten dieser Herrscher änderte, was allerdings keine Verbesserung dieser Angaben bedeutete. Eine weitere Liste wurde in der englischen Übersetzung von Hashmatullah Khans Werk (S. IV) unter dem Titel „Genealogy of the Rajas of Rondu“ veröffentlicht. Diese Liste, zu der sich ebenfalls keine Quellenangaben finden, weicht von Cunninghams Liste erheblich ab. Bei den in Cunninghams Liste zu findenden ersten beiden Namen Ali Sher und Ahmed Khan kann es sich nur um Ali Sher Khan, den berühmten Herrscher von Skardu, und seinen Sohn und Nachfolger Ahmad Khan handeln. Letzterer regierte um 1630 nur für kurze Zeit in Skardu. Dass diese beiden Könige Rondu direkt selbst verwaltete haben, ist angesichts der Lage und der geographischen Besonderheiten von Rondu wenig wahrscheinlich. Hashmatullah Khans Liste beginnt mit Ahmad Khan.

Historisch belegbar ist der von Cunningham aufgeführte 3. Herrscher Ali Shah, der von Hashmatullah Khan ebenfalls als Nachfolger und als Sohn von Ahmad Khan zusammen mit seinen Brüdern Shah Murad (= Murad Khan), Sher Shah (= Sher Khan) und Shah Sultan aufgeführt wird. Von diesen vier Brüdern spielten insbesondere  Murad Khan und Sher Khan in der Geschichte Baltistans des 17. Jahrhunderts eine wichtige Rolle.

Über die Rolle, die Ali Shah und seine Brüder in Rondu spielten, finden sich Hinweise in der Verschronik Shigar Nāma. Hiernach floh gegen Ende der dreißiger Jahre des 17. Jahrhunderts Murad Khan vor den angreifenden Truppen von Imam Quli Khan aus Shigar nach Rondu, wo er sich nur wenige Jahre aufhielt (Behrouz, S. 81-84).  Danach reiste er nach Indien an den Kaiserhof des Moghul-Kaisers Shah Jahan und ließ seine Brüder Ali Shah und Sher Khan in Rondu zurück, wobei er den letztgenannten zu seinem Stellvertreter ernannte. Sher Khan regierte nach Murad Khan offenbar bis zum Beginn der fünfziger Jahre in Rondu. Nachdem Murad Khan 1650/51 von seinem Onkel  Adam Khan als dessen Statthalter von Skardu eingesetzt worden war, eroberte er Kartaksho. Als Herrscher dieses Landes setzte er seinen Bruder Sher Khan ein (Behrouz, S. 107f), sodass von nun an Ali Shah als dritter durch Quellen belegter Herrscher in Rondu regierte. Ali Shah  wird im  Shigar Nāma  noch zweimal erwähnt. Während des zweiten großen Krieges zwischen Sher Khan und Imam Quli Khan kam er (nach1678/79) aus Rondu seinem Bruder mit seinen Truppen zur Hilfe (Behrouz, S.  200ff). Nachdem die militärische Lage für Sher Khan im Kampf gegen Imam Quli Khan aussichtslos geworden war, riet Ali Shah seinem  Bruder Sher Khan, dem Sieger Imam Quli Khan seine vollständige Unterwerfung anzubieten.

Cunningham verzeichnet als Herrscher, die auf Ali Shah folgten, die folgenden Namen: Daolat Sher, Assad Ulla Khan, Mahomed Ali Khan, Murad Khan und Abbas Beg. Von Hashmatullha Khan werden folgende Namen aufgeführt: Ahmad Khan, Daulat Shamshir, Asadullah Quli Khan, Mirza Khan und Abbas Khan. Von keiner dieser Personen ist ansonsten irgendetwas bekannt.

Für das Jahr 1722 ist die Eroberung von Rondu durch den Shigar-Herrscher Azam Khan belegt. Dieser Vorherrschaft von Shigar über Rondu wurde aber schon im Folgejahr 1723 durch das Eingreifen von Truppen aus Ladakh ein Ende bereitet.

Als 9. Herrscher von Rondu verzeichnet Cunningham einen Ali Khan mit dem Vermerk „now reighning“. Der gleiche Name taucht mit dem Vermerk „Raja at the time of conquest“, also für den Zeitraum von 1840-1842, auch in Hashmullah Khans Genealogie auf. Von diesem Ali Khan wissen wir durch den Aufsatz von Captain Wade (S. 596), dass er schon im Jahre 1829 als Neffe von Ahmad Shah in Rondu regierte. In dem Lebensbericht von Ali Sher Khan (III) aus Kartaksho finden wir den Hinweis, dass Ali Khan mit seinen Truppen an der von Ahmad Shah angeordneten Einnahme von Kartaksho im Jahre 1834/35 teilnahm (Autobiographie in Hashmatullah Khan, S. 88). Als Zorawar Singh im Jahre 1840 Skardu eingenommen hatte, weigerte sich besagter Ali Khan, sich dem Eroberer aus Indien zu unterwerfen, zumal ihm Verstärkungen aus Gilgit zur Seite standen. Um Rondu einzunehmen, schickte Zorawar Singh den Verräter Ali Sher Khan (III) mit einer Truppe bis Bragardo (Abbildung 2), dem auf der rechten Seite des Indus gelegenen östlichen Grenzort von Rondu. Von hieraus sollte Ali Sher Khan (III) bis Mendi vorrücken, während die beiden Dogra-Offiziere Mirza Rasul Beg und Mohammad Khan mit eintausend Soldaten über Kachura auf der linken Seite des Indus in Rondu einmarschierten. Über diesen Einmarsch ist ein Bericht von Drew überliefert (Drew, S. 374). Die Grenze zwischen Skardu und Rondu bildete ein Felsgrad, auf dem die Einwohner von Rondu Verteidigungslinien errichtet hatten. Durch Hinweise aus der Bevölkerung von Basho, die dafür von den Dogras finanziell belohnt wurden, konnten die Dogra auf einem höher gelegenen Bergpfad diese Verteidigungsstellen umgehen und ungehindert in Rondu eindringen. Nachdem sich die Truppen von Ali Sher Khan (III) mit denen der beiden Dogra-Offiziere vereinigt hatten, kam es zur Belagerung und Einnahme der Burg in Mendi. Ali Khan aber konnte rechtzeitig fliehen. Seine Besitztümer wurden von den Eroberern konfisziert und nach Skardu abtransportiert (Autobiographie in Hashmatullah Khan, S. 89f).

Nachdem Zorawar Singh 1841 während seines Raubzuges nach Westtibet von den tibetischen Verteidigern erschlagen worden war, organisierte Ahmad Shah mit anderen die Befreiung Ladakhs und Baltistans von der Dogra-Herrschaft. Ahamd Shah ensandte seinen Vertrauten Yulstrong Karim nach Baltistan, um dort den Widerstand gegen die Dogra-Besatzung  zu organisieren. Ali Khan aus Rondu zählte neben Haidar Khan aus Shigar zu den führenden Köpfen des zunächst erfolgreichen Widerstandes gegen die Dogra. Die Besatzungstruppen wurden überwältigt und ihr Kommandant Baghwan Singh geriet in Gefangenschaft. Allerdings gelang es den Dogra schon 1842, ihre Stellung in Ladakh durch eine 5.000 Mann umfassende Eingreiftruppe aus Kaschmir wieder zu festigen. Nach der anschließenden Rückeroberung von Skardu durch Wasir Lakhpat flohen Ahmad Shah und sein Bruder Ghulam Shah mit ihren Familien nach Rondu, wo sie bei Ali Khan Zuflucht fanden. Danach wurde Rondu von Truppen des Kartaksho-Herrscher Ali Sher Khan (III) unter der Führung von dessen Wesir Ghulam Hussain eingenommen. Die nachfolgende Flucht von Ahmad Shah in die Festung von Stak rettete den ehemaligen König von Skardu nicht. Er wurde in Stak gefangen genommen und als Gefangener dem Administrator (Thanedar) Gosaun in Skardu überstellt (Autobiographie in Hashmatullah Khan, S. 90-93). Was danach mit dem Rondu-Herrscher Ali Khan geschah, kann man ebenfalls der "Autobiographie" von Ali Sher Khan (III) entnehmen. Er wurde zusammen mit Ahmad Shah und anderen an den Hof des Dogra-Herrschers Rāja Gulab Singh zur Aburteilung verbracht. Hier setzte sich Ali Sher Khan (III) für Ali Khan so erfolgreich ein, dass dieser letztendlich freigelassen und seiner Obhut übergeben wurde (Autobiographie in Hashmatullah Khan, S. 93). Der oben aufgeführte Hinweis von Cunningham, mit dem Ali Khan als „gegenwärtig Regierender“ bezeichnet wird, lässt ebenfalls den Schluss zu, dass er unter der nun folgenden Dogra-Herrschaft weiterhin als Verwalter von Rondu in seinem Land verbleiben konnte.

Die Existenz eines eigenständigen Königreiches Rondu aber fand mit den Ereignissen des Jahres 1842 ein endgültiges Ende.

4. Literatur

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
R. C. Arora: In the Land of Kashmir, Ladakh and Gilgit. Agra 1940
Michael Beek: Pakistan. Marquartstein 2006
Koshrow Behrouz: Shigar- Nāma. Eine persische Verschronik über die Geschichte Baltistans. Kritische Textausgabe, Kommentar und Übersetzung. Unveröffentlichtes Manuskript aus den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts
Alexander Cunningham:  Ladák. Physical, statistical, and historical; with notices of the surrounding countries.  New Delhi 1977 (reprint)
Frederic Drew: The Jummoo and Kashmir Territories. A Geographical Account.  London 1875
A. H. Francke: Antiquities of Indian Tibet. Part (Volume) II. The
Chronicles of Ladakh and Minor Chronicles. Texts and Translations, with Notes and Maps. (Reprint) New Delhi 1972
Mirza Haidar: The Tarikh-i-Rashidi of Mirza Muhammad Gaidar, Dughlát. A History of the Moghuls of Central Asia. An English Version. Edited, with Commentary, Notes and Map by N. Elias. The Translation by E. Denison Ross. London 1895
Richard Hughes: Vernacular Architecture and Construction Techniques in the Karakoram. In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 99-132
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. Das Original in Urdu wurde 1939 veröffentlicht
Lonely Planet: Sarina Singh, Lindsay Brown, Owen Bennett Jones, John Mock, Kimberley O´Neil, Samina Yasmeen: Pakistan & the Karakoram Highway. Footscray – Linden St. – London 2004
William Moorcroft and George Trebeck: Travels in India. Himalayan Provinces of Hindustan and the Panjab; in Ladakh and Kashmir; in Peshawar, Kabul, Kunduz and Bokhara; from 1819 to 1825. Prepared for the Press, from Original Journals and Correspondence, by Horace Hayman Wilson. Two Volumes. London 1841
Arthur Neve; The Tourist´s Guide to Kashmir, Ladakh, Skardo, &c. Lahore o.J. Eighteenth Edition. Lahore o.J.
Ursula Sagaster: Die Baltis. Ein Bergvolk im Norden Pakistans, mit Beiträgen von Karl Jettmar, Renate Söhnen, Klaus Sagaster und Jürgen Frembgen. Frankfurt 1989
Dieter Schuh: Die Herrscher von Baltistan (Klein-Tibet) im Spiegel von Herrscherurkunden aus Ladakh. In: Chomolangma, Demawend und Kasbek. Festschrift für Roland Bielmeier zu seinem 65. Geburtstag. Band 1: Chomolangma, Halle 2008, S. 165-225
Thomas Thomson: Western Himalaya and Tibet; A Narrative of a Journey through the Mountains of Northern India during the Years 1847-8. London 1852
Godfrey Thomas Vigne: Travels in Kashmir, Ladakh, Iskardo. The Countries Adjoining the Mountain-Course of the Indus and the Himalaya North of the Punjab. Volume II, London 2005. Nachdruck der Ausgabe von 1842
C. M. Wade: Notes taken by Captain C. M. Wade, Political Agent at Ludiána, in 1829, relative to the Territory and Government of Iskárdoh, from Information given by Charágh Ali, an agent who was deputed to him in that year by Ahmad Sháh, the Gelpo or ruler of that country. The Journal of the Asiatic Society of Bengal, Vol. IV, January to December 1835, Calcutta 1835, S. 589-601

Autor: Dieter Schuh, 2011

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