Mohammad Zafar Khan (Herrscher von Skardu in Baltistan bzw. Klein-Tibet)
Mohammad Zafar Khan (auch kurz nur Zafar Khan, Zafr Khan und Zuffer Khan geschrieben, Tibetisch Ma-ma Za-phar Khan) wurde als Mitglied der Makpon-Herrscherfamilie 1723 von ladhakischen Truppen als Herrscher von Skardu eingesetzt. Seine Herrschaft begann an einem Tiefpunkt der Macht der Könige von Skardu, war doch ihr Land zuvor von dem Nachbarland Shigar vollständig erobert worden. Zehn Jahre nach seiner Inthronisierung begann Zafar Khan erneut im Stil seiner kriegerischen Vorfahren einen ersten Feldzug gegen seine Nachbarländer. 1733 und 1734 unternahm er zwei Kriegszüge zur Eroberung von Khaplu, die beide nur durch Interventionen von Truppen aus Ladakh erfolgreich abgewehrt werden konnten. 1759 startete Zafar Khan mit Unterstützung des Herrschers von Kiris einen Feldzug gegen Shigar, wobei er Hussain Khan, den König von Shigar, gefangen nahm und einkerkerte. Durch einen Einmarsch von Truppen aus Ladakh wurde Hussain Khan befreit und die Ordnung in Shigar wiederhergestellt. Aber schon drei Jahre später im Jahre 1762 begann Zafar Khan, diesmal mit der Unterstützung von Saadat Khan, dem Herrscher von Kartaksho, erneut ein Krieg gegen Shigar. Auch diesmal wurde eine Intervention von Ladakh notwendig, um die Machtbalance in Baltistan wiederherzustellen. Am Ende seines Lebens hatte Zafar Khan über vierzig Jahre lang Baltistan mit Kriegen überzogen, die außer den Leiden der betroffenen Bevölkerung und zahlreichen Toten keinerlei positive Ergebnisse für ihn zeitigten. Sein Todesjahr dürfte in die sechziger oder siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts fallen.
Inhaltsverzeichnis
1. Quellen
2. Amtseinsetzung durch den ladakhischen General Tshülthrim Dorje (Tshul-khrims rdo-rje) im Jahre 1723
3. Kriege gegen Khaplu der Jahre 1733 und 1734
4. Kriege gegen Shigar der Jahre 1759 und 1762
5. Literatur
1. Quellen
Zafar Khan wird in Cunninghams Liste der Herrscher von Skardu als 6. Gyalpo („König“) und als Nachfolger von Sultan Murad Khan aufgeführt. Die einzigen bisher bekannt gewordenen verlässlichen Quellen zur Regierungszeit dieses Herrschers sind Urkunden aus Ladakh, und zwar eine sehr bedeutsame Herrscherurkunde des ladakhischen Königs Dekyong Namgyel (bDe-skyong rnam-rgyal) (1729-1739) (Francke, S.228-235), eine von Nyima Namgyel (Nyi-ma rnam rgyal) am 13. März 1736 ausgefertigte Urkunde (Gergan, Regesten Nr. 4; Petech, S. 82) sowie vier weitere Urkunden des Königs Tsewang Namgyel (Tshe-dbang rnam-rgyal) (1753-1782), die in den Jahren 1760, 1760/61, 1762 und 1776 (Schuh 1, S. 197-202) ausgefertigt worden sind.
2. Amtseinsetzung durch den ladakhischen General Tshülthrim Dorje (Tshul-khrims rdo-rje) im Jahre 1723
Während in der Geschichte Baltistan seit dem Ende des 16. Jahrhunderts die Königreiche Shigar und Khaplu bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts den unentwegten Angriffen von Seiten der kriegslüsternen Herrscher von Skardu ausgesetzt waren, änderte sich dies für kurze Zeit im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts. 1719 traf Azam Khan, Herrscher von Shigar, militärische Vorbereitungen, um Skardu zu erobern. In dieser Situation erreichte den ladakhischen König Nyima Namgyel (Nyi-ma rnam-rgyal) (1694-1729) und seinen Sohn Dekyong Namgyel (bDe-skyong rnam-rgyal) ein Hilferuf aus Baltistan. Es ist nicht mit Sicherheit auszumachen, ob dieses Hilfeersuchen aus Khaplu kam, wo man die entstehende Übermacht der Könige von Shigar fürchtete, oder ob es Sultan Murad Khan von Skardu war, der sich an den König von Ladakh wandte. Eine ladakhische Armee rückte 1719 unter dem Heerführer Tshülthrim Dorje zunächst nur bis Hanu vor. Von dort aus sandte er Boten nach Shigar, die in dem Streit zwischen Skardu und Shigar vermitteln sollten. Angesichts des drohenden Einmarsches ladakhischer Truppen und vermutlich auch in Erinnerung der Niederlage, die Tshülthrim Dorje ihm 1716 bei der Festung von Saling zugefügt hatte, willigte Azam Khan in die Vorschläge der ladakhischen Gesandten ein und sah von weiteren militärischen Aktionen gegen Skardu ab.
Dies änderte sich schlagartig im Jahr 1722. Azam Khan eroberte nicht nur Skardu, sondern unterwarf das gesamte Gebiet der sBalti, worin sicherlich auch Kartaksho mit Tolti und Parkuta eingeschlossen war. Des Weiteren konnte er Rondu und Nagar einnehmen. Hatam Khan aus Khaplu sandte erneut einen Hilferuf nach Ladakh. In dem nun folgenden Krieg besiegten die Truppen aus Ladakh zu Beginn des Jahres 1723 die von Azam Khan aufgestellte Armee. Azam Khan setzte sich zunächst nach Rondu ab und floh anschließend nach Nagar. Tshülthrim Dorje aber marschierte nach Shigar, wo er Azam Khans Bruder Ali Khan zum neuen Herrscher des Landes ernannte. In Skardu inthronisierte er Mohammad Zafar Khan, der von nun an in Skardu regierte.
3. Kriege gegen Khaplu der Jahre 1733 und 1734
Zu Beginn der dreißiger Jahre hatte sich Skardu von den Folgen der Niederlage, die Azam Khan dem Land zugefügt hatte, offenkundig soweit erholt, dass Zafar Khan einen neuen Krieg gegen seine Nachbarn planen konnte. 1733 griff Zafar Khan das inzwischen von Dabla Khan regierte Khaplu an und eroberte die Bergfestungen von Saling und Tsheno. Die beiden Festungen wurden von ladakhischen Truppen unter dem Heerführer Gyatsho (rGya-mtsho) zurückerobert (Gergan, Regesten 4; Petech, S. 82). Ein Jahr später, im Jahr 1734, belagerten die Truppen Zafar Khans Thortsi Khar, die Burg von Khaplu. Diesmal hatte Zafar Khan eine Armee von 4000 Mann aufgeboten, die bald darauf von einem Heer aus Ladakh angegriffen wurde, welches der ladakhische König Dekyong Namgyel persönlich anführte. Zafar Khans Truppen erlitten eine vernichtende Niederlage. 300 von ihnen wurde getötet, 200 lagen verletzt am Boden und die restlichen 3500 Krieger gerieten in Gefangenschaft. Die gesamte Kriegausrüstung von Zafar Khans Soldaten und alle Pferde der Kavallerie fielen den Feinden aus Ladakh in die Hände. Die Gefangenen wurden bald darauf freigelassen, nachdem sie unter Eid versprochen hatten, dass sie sich in Zukunft gegenüber Khaplu und Ladakh wohl verhalten würden (Francke, S. 228-235; Petech, S. 82 und 96f; Gergan, Regesten, Nr.4).
Diese Niederlage Zafar Khans und der Verlust an Waffen waren so gewaltig, dass er offenkundig in den nächsten 25 Jahren nicht mehr in der Lage war, seine Nachbarn zu bekriegen.
4. Kriege gegen Shigar der Jahre 1759 und 1762
1759 hatte sich der inzwischen wenigstens fünfzig bis sechzig Jahre alte Zafar Khan wirtschaftlich und militärisch soweit erholt, dass er einen neuen Waffengang wagen konnte, der diesmal gegen Shigar gerichtet war. Im gleichen Jahr hatte Zafar Khan Hussain Khan, den Herrscher von Shigar, gefangen genommen und eingekerkert. Mir Beg, der Herrscher von Kiris, schlug sich auf die Seite von Skardu und revoltierte gegen Khaplu, welches nun von Mohammad Ali Khan regiert wurde. Zafar Khans Verbündete bauten Festungen in Kiris und Kuru.
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Abbildung 1: Herrscherurkunde des ladakhischen Königs Tshewang Namgyel vom 4. April 1760 mit der Schilderung der Ereignisse des Krieges mit Mohammad Zafar Khan des Jahres 1759 |
Mohammad Ali Khan von Khaplu schickte ein Hilfeersuchen nach Ladakh, wo sofort eine große Armee mit Truppen aus Unter- und Oberladakh und aus Purik zusammengestellt wurde. Unter Führung der Truppenführer no-no Wanggyel (dBang-rgyal) und no-no Ngawang (Ngag-dbang) rückte eine Armee nach Baltistan ein, die Hussain Khan aus dem Gefängnis befreien und ihn wieder als Herrscher von Shigar einsetzen konnte. Mir Beg von Kiris musste sich wieder der Vorherrschaft von Khaplu unterstellen. Die Ereignisse dieses Krieges werden in der in Abbildung 1 in Faksimile abgebildeten Urkunden wie folgt geschildert:
"Im weiblichen Erde-Hase-Jahr (1759) wurde Hussain Khan (Ru-sen Khan), der Herrscher (Jo) von Shigar (Shi-dkar), von Mohammad Zafar Khan (Ma-ma Za-phar mKhan), dem Herrscher (Jo) von Skardu (sKar-rdo), gefangen genommen und ins Gefängnis geworfen. Mir Beg (Mir-bhig), der Herrscher (Jo) von Kiris (Kye-ris), rebellierte gegen Khaplu (Kha-bu-lo) und ging nach Skardu (sKar-rdo). Durch das Arrangieren der schlechten Handlung eines Zusammenschlusses der inneren Angehörigen der Balti (sBal-ti) wurden in Kiris (Kye-ris) und Kuru (Ku-ros) etc. Festungen gebaut und mit dem Aufstand begonnen. Da der Herrscher (Jo) Mohammad Ali Khan (Ma-ma A-li Khan) in die Enge getrieben war, bat er aus Hilflosigkeit um Truppenhilfe. Dies war von hieraus das erste Mal der Durchführung einer Tätigkeit von Kriegsführung. Als (wir) unter den Truppenführern no-no Wanggyel (dBang-rgyal) und no-no Ngawang (Ngag-dbang) zusammen mit den Truppen aus Ober- und Unterladakh und einer Armee aus Purik angriffen, wurde der Herrscher (Jo) Hussain Khan (Ru-sen mKhan) aus dem Gefängnis befreit und (wieder) über die Festung von Shigar (Shi-dkar) eingesetzt. Mir Beg (Mir-bhig) wurde wieder wie früher Khaplu (Kha-bu-lo) unterstellt. Als man die Festungen von Kiris (Kye-ris) und Kuru (Ku-ros) etc. ohne Schwierigkeiten einnahm, bestieg der ´gang-ba Phüntshog (Phun-tshogs) den Bergausläufer und als die Festung von Kiris (Kye-ris) belagert wurde, drang er in die Festung unter Armbrustbeschuss mit mehr als 15 Männern ein und erwies so Dienste.“
Auch nach dieser Niederlage gab Zafar Khan keine Ruhe.
1762 verbündete er sich mit Kartaksho, um einen erneuten Krieg gegen Shigar anzuzetteln. Als Reaktion hierauf drang eine ladakhische Armee unter Führung von nang-gtso Trashi (bKra-shis) nach Kartakhsho vor, wo man den Wesir Khyi-gu-pa mit zwanzig Männern gefangen nahm. Beim Vormarsch auf Nar-sa konnte man die dortige Festung erobern und Saadat, den Herrscher von Kartaksho, mit achtzehn Begleitern festnehmen. Der Weitermarsch führte nach Shigar, von wo Zafar Khan die Flucht ergriff und in sein Land Skardu zurückkehrte. Shigar war damit befreit und konnte als eigenständiger Staat fortbestehen.
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Abbildung 2: Herrscherurkunde des ladakhischen Königs Tshewang Namgyel vom 27. Juli 1762 mit der Schilderung der Ereignisse des Krieges mit Mohammad Zafar Khan des Jahres 1762 |
In der in Abbildung 2 wiedergegebenen Herrscherurkunde werden die Kriegsereignisse des Jahres 1762 wie folgt geschildert:
" Im Wasser-Pferd-Jahr (1762) ist der Herrschererlass ergangen, dass nang-gtso Trashi (bKra-shis) durch Ernennung in der Funktion als Heerführer (dmag-dpon) nach Shigar (Shig-gar) in den Krieg ziehen musste. Indem er im Hinblick auf den Inhalt (dieses Erlasses) sich den Befehl zu Herzen nahm, brach er mit höchster Entschlossenheit auf. Nachdem er die Berghangüberbrückungen und Wachtürme von Byi-skyid in Kartaksho (Gar-dag-sha) zerstört hatte, nahm er zusammen mit dem Wesir (Va-zir) Khyi-gu-pa 20 Leute gefangen. … Nachdem er ´Dre-pho´i ka zerstört hatte, konnte er die gelbe Festung von Nar-sa (Nar-sa ser gyi mkhar) einnehmen. Nachdem er zusammen mit dem Herrscher (Jo) Saadat (Sa-dad) achtzehn Leute gefangen genommen hatte, brach er zum Krieg nach Shigar (Shig-gar) auf. Zu dieser Zeit entkam (Mohammad) Zafar Khan (Za-phar mKhan) in sein eigenes Land, so dass in Folge davon Shigar (Shig-gar) nicht unter die Herrschaft von Skardu (sKar-rdo) kam, sondern unter unserer eigenen Herrschaft angenehm belassen wurde."
Danach erfahren wir über weitere Eroberungszüge Zafar Khans nichts mehr. In Zusammenhang mit dem nächsten großen Angriff von Skardu gegen Khaplu im Jahre 1885 wird Zafar Khan nicht mehr erwähnt. Es ist anzunehmen, dass dieser Angriff in die Regierungszeit seines Sohnes Ali Sher Khan (II) fiel.
5. Literatur
Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
John Biddulph: Tribes of the Hindoo Koosh. Reprint. New Delhi 2001
Alexander Cunningham: Ladák. Physical, statistical, and historical; with notices of the surrounding countries. New Delhi 1977 (reprint)
A. H. Francke: Antiquities of Indian Tibet. Part (Volume) II. The Chronicles of Ladakh and Minor Chronicles. Texts and Translations, with Notes and Maps. (Reprint) New Delhi 1972
Yoseb Gergan: Ladags rgyal rabs chimed ster (History of Ladakh) in Tibetan. New Delhi 1976
Luciano Petech: The Kingdom of Ladakh. C. 950-1842 A. D. Roma 1977
Dieter Schuh: Herrscherurkunden und Privaturkunden aus Westtibet (Ladakh), Halle 2008 (= Monumenta Tibetica Historica, Abteilung III. Diplomata, Epistolae et Leges, Band 11)
Dieter Schuh 1: Die Herrscher von Baltistan (Klein-Tibet) im Spiegel von Herrscherurkunden aus Ladakh. In: Chomolangma, Demawend und Kasbek. Festschrift für Roland Bielmeier zu seinem 65. Geburtstag. Band 1: Chomolangma, Halle 2008, S. 165-225
Autor: Dieter Schuh, 2010
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