Tibet-Encyclopaedia

 

Babur (Herrscher von Khaplu in Baltistan, Klein-Tibet)


Babur war ein Sohn von Hussain Khan, des 61. Herrschers der Yabgo-Herrscherfamilie in Khaplu. Seine Mutter war eine Schwester von Murad Khan aus Skardu. Nachdem er mit seinem Bruder Yakub und seiner Mutter von Rahim Khan, dem Bruder seines Vaters, nach dessen Tod aus Khaplu vertrieben worden war, lebte er einige Zeit mit seinem Bruder und seiner Mutter in Ladakh im Exil. In den fünfziger Jahren des 17. Jahrhunderts wurde er von Murad Khan zusammen mit seinem Bruder Yakub als Herrscher von Khaplu eingesetzt. Er vertrieb danach seinen Bruder und stand im großen Krieg zwischen Imam Quli Khan und seinem Onkel Sher Khan zunächst auf der Seite von Sher Khan. Als während der Belagerung seiner Burg Thortsi Khar in Khaplu durch feindliche Truppen seine Lage aussichtslos wurde, wechselte er auf die Seite von Imam Quli Khan. Nachdem sein Onkel Sher Khan den ersten Krieg gegen Imam Quli Khan verloren hatte und nach der Invasion von Truppen aus Ladakh im Jahre 1774 verlor er die Herrschaft über Khaplu, blieb aber in den Diensten von Imam Quli Khan, den er auch im zweiten Krieg gegen Sher Khan unterstützte. Babur starb noch vor dem Ende dieses zweiten großen Krieges nach 1674 in der Festung von Kharku an einer plötzlichen Krankheit.

Die einzige Quelle für das Leben und Wirken von Babur ist die Verschronik Shigar Nāma. In den von Cunningham und Francke veröffentlichten genealogischen Listen der Yabgo-Herrscher von Khaplu wird Babur nicht aufgeführt. Anders ist dies bei Hashmatullah Khan (S. XIII), der in seiner Genealogie der Herrscher von Khaplu Rahim Khan und Hussain Khan als Ururenkel zweier Brüder mit den getrennten Herrschaftsgebieten von Saling und Haldi einerseits und Khaplu andererseits aufführt, ohne hierfür aber irgendeine Quelle anzugeben. Hashmatullah Khans Angaben  hierzu widersprechen übrigens den eindeutigen Feststellungen im Shigar Nâma.

Baburs Mutter war eine Schwester der beiden Brüder Murad Khan und Sher Khan aus Skardu. Sie war mit Hussain Khan, dem 61. Yabgo-Herrscher (Zählung nach Cunningham) von Khaplu, verheiratet und gebar diesem zwei Söhne, nämlich Yakub und Babur. Es ist davon auszugehen, dass Hussain Khan spätestens nach 1636, dem Jahr der Eroberung von Baltistan durch die Truppen des Moghul-Kaisers Shah Jahan, seine Herrschaft antrat. Nach seinem Tod, der nicht später als 1650 eingetreten sein kann, übernahm Rahim Khan die Herrschaft in Khaplu. Rahim Khan war ein Bruder von Hussain Khan (Behrouz, S. 115). Rahim Khan drangsalierte die Witwe von Hussain Khan und ihre beiden Söhne so sehr, dass sie ins Exil nach Ladakh flüchten mussten.

Mit der Übernahme des Amtes eines Statthalters über Skardu durch Murad Khan, erfolgte nach 1650 die Eroberung von Khaplu durch Imam Quli Khan und Murad Khan. Dabei wurde Rahim Khan von Murad Khan und Sher Khan ermordet. Nach dieser Eroberung marschierten die Krieger aus Baltistan in Unterladakh ein, besetzten die Festung von Kharbu (mKhar-bu) und nahmen 900 gegnerische Soldaten gefangen. Um die Gefangenen frei zu kaufen, bot der ladakhische Feldherr die Schwester von Murad Khan und ihre Söhne Yakub und Babur, die sich in seiner Gewalt befanden, zum Tausch gegen die 900 Gefangenen an. Murad Khan stimmte dem Austausch zu, ließ die 900 Gefangenen frei und kehrte anschließend mit seiner Schwester und seinen beiden Neffen nach Skardu zurück. Dort übertrug er die Herrschaft über Khaplu seinen beiden Neffen Yakub und Babur.

Die gemeinsame Herrschaft der beiden Brüder dauerte nicht lange. Babur verjagte seinen Bruder, der sich Sher Khan anschloss. In dem nach 1667 ausbrechenden Krieg zwischen Sher Khan und Imam Quli Khan finden wir zunächst auch Babur auf der Seite seines Onkels Sher Khan. Sher Khan hatte Babur um Truppenhilfe für seinen bevorstehenden Einmarsch nach Shigar gebeten. Babur entsandte entlang der üblichen Marschrute über Balghar, Kuru und Kiris seine Truppen nach Shigar. Als sich Babur mit seinen Kriegern Kiris näherte, stieß er auf die Soldaten von Amir Khan, des Herrschers von Kiris. Es kam zum Kampf, in dem Babur unterlag. Einhundertzwanzig seiner Krieger wurden gefangen genommen.

Nachdem Sher Khans Angriff auf Shigar zurückgeschlagen worden war, rückten die Armeen der Gegenseite gegen seinen Verbündeten Babur in Khaplu vor. Die Angreifer belagerten die Bergfestung Thortsi Khar, in die sich Babur zurückgezogen hatte. Sher Khan entsandte dessen Bruder Yakub, der trotz der schlechten Behandlung in der Vergangenheit nun seinem Bruder helfen wollte, mit einhundert Kriegern, um Babur zu unterstützen. Zusätzlich schickte Sher Khan fünfzig Leute mit Getreide, um die Versorgung der belagerten Truppen sicherzustellen. Von dem entsandten Getreide kam nur die Hälfte an. Die ebenfalls eingetroffenen einhundert Soldaten unter Yakub verschärften die bestehende Hungersnot in der belagerten Festung. Angesichts dieser verzweifelten Lage beschlossen die beiden Brüder, auf die Seite von Imam Quli Khan zu wechseln. Imam Quli Khan akzeptierte dies.

In der Folgezeit ging aber die Herrschaft über Khaplu für Babur verloren. Nach dem Einfall von Truppen aus Ladakh im Jahre 1674 sehen wir, dass nun Yakub in Khaplu regierte, während Hatam Khan, der Sohn des ermordeten Rahim Khan als Herrscher über die Festungen des gegenüber von Khaplu gelegenen Hushe/Saltoro Tales Saling und Haldi eingesetzt worden war. In dem erneut ausgebrochenen Krieg zwischen Sher Khan und Imam Quli Khan wechselte Yakub erneut die Fronten und schloss sich wieder seinem Onkel Sher Khan an.

Babur, der Imam Quli Khan die Treue hielt, spielte danach noch eine Rolle in der Zurückeroberung der zuvor von Hatam Khan und Yakub eroberten Festung Kharku, wo er nach plötzlicher Krankheit verstarb. Sein Tod wird im Shigar Nāma wie folgt geschildert (Behrouz, S. 186):

„Vier Monate später wurde der dem Sorush ähnliche Babur krank und verlor das Bewusstsein. Plötzlich umarmte ihn der Tod, und seine Seele verließ den Leib. Er zog dieser gemeinsamen Welt die künftige Welt vor und lief leichtfüßig zum Paradies.“

Das Ende des Krieges zwischen Imam Quli Khan und Sher Khan hat Babur nicht mehr erlebt.

Literatur

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
Koshrow Behrouz: Shigar- Nāma. Eine persische Verschronik über die Geschichte Baltistans. Kritische Textausgabe, Kommentar und Übersetzung. Unveröffentlichtes Manuskript aus den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts
Alexander Cunningham: Ladák. Physical, statistical, and historical; with notices of the surrounding countries. New Delhi 1977 (reprint)
A. H. Francke: Antiquities of Indian Tibet. Part (Volume) II. The Chronicles of Ladakh and Minor Chronicles. Texts and Translations, with Notes and Maps. (Reprint) New Delhi 1972
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. Das Original in Urdu wurde 1939 veröffentlicht

Autor: Dieter Schuh, 2010

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