Tibet-Encyclopaedia

 

Abbildung 1: Das Hushe-Tal bei Machulu (Mai 2012)

Hushe (Fluß und Tal in Baltistan)

Hushe (auch Hushai, Hoshay und Hushey genannt) ist die Bezeichnung eines Flusses, der dazu gehörenden Tallandschaft und einer am Ende dieses Tals in etwa 3100 m Höhe gelegenen Ortschaft im Osten von Baltistan. Der Hushe-Fluß wird insbesondere von mehreren Gletschern des zentralen Karakorums gespeist und mündet bei Saling unweit von Khaplu in den Shayok. Das Hushe-Tal bildete in bestimmten Zeitabschnitten des 17. Jahrhunderts zusammen mit dem Saltoro-Tal ein eigenständiges Teilreich des Königreichs Khaplu. Zentrum dieses Teilreiches war die Burg von Haldi, die auf einem Felsen in der Mündung des Saltoro in den Hushe erbaut worden war und somit für die strategische Beherrschung beider Tallandschaften eine geradezu ideale Lage besaß. Das Hushe-Tal wurde gegen Einfälle aus dem Westen Baltistans durch die Burg von Saling geschützt. Im Vergleich zum Saltoro-Tal und dem diesem zugeordneten Kondus-Tal bildete das Hushe-Tal sowohl nach der Fläche als insbesondere nach der Einwohnerzahl den kleineren Teil dieses Teilreiches von Khaplu. Im Norden des Hushe-Tals befinden sich keine Befestigungsanlagen, da das Tal aus dieser Richtung wegen der zahlreichen, nicht passierbaren Gletscher als unerreichbar galt. Heute ist das Hushe-Tal ein von Bergsteigern und Bergwanderern beliebter Zugang zu den Bergen und Gletschern des Karakorums. Allerdings ist die Zahl seiner Besucher im Vergleich zu denen der Berge des Himalayas in Nepal mit weniger als 1.000 Reisenden pro Jahr noch sehr klein. Inzwischen wurde in der Ortschaft Hushe am Ende des Tals ein größeres Hotel erbaut. Größere Hemmnisse für eine Entwicklung des Tourismus stellen aber nicht so sehr die noch bescheidene Infrastruktur und die schlechten Straßenverhältnisse dar, sondern die politischen Verhältnisse in Pakistan und die Unfähigkeit der dortigen Behörden, von Islamabad aus einen verläßlichen, regelmäßigen Flugverkehr nach Baltistan (Skardu) zu organisieren. Sehenswürdigkeiten sind neben der grandiosen Bergwelt und dem Blick auf den zweithöchsten Berg der Welt, den K2, die großen Khanqa-Gebetshallen, die sich in fast allen Orten dieses Tals finden, und insbesondere die Astana-Grabmonumente in der Ortschaft Hushe.

Abbildung 2: Die Mündung des Hushe in den Shayok von Saling aus photographiert (Mai 2012)

Allgemeine Vorbemerkungen

Einen frühen ausführlicheren Bericht über das Hushe-Tal verdanken wir Fanny Bullock Workman und ihrem Mann William Hunter Workman, die 1911/12 von Haldi aus das Hushe Tal bereisten, um die Gletscher nördlich der Ortschaft Hushe zu erkunden. Ihr Interesse galt den Gletschern Aling, Mascherbrum, Gondogoro und Chogolisa (siehe Abbildung 3). Für einen Kulturwissenschaftler ist dieser Bericht aber eher ernüchternd, erfahren wir doch rein gar nichts über die von den Eheleuten Workman durchreisten Ortschaften, ihre Bewohner und Kulturdenkmäler. Die Workmans veröffentlichten in ihrem Buch eine Karte, in der sie die Orte Khane, Khande und Hushe verzeichneten. Diese Karte ist ausschnittsweise in Abbildung 4 zu sehen, wobei ich sie mit blauer Schrift um die Hauptorte ergänzt habe, die man durchreist oder tangiert, wenn man heute der Straße von Saling bis Hushe folgt.

   

 

Abbildung 3: Das Hushe-Tal und die Gletscher des Karakorum nach Hagler Bailly

 

Abbildung 4: Die Hauptorte des Hushe-Tals. Ergänzter Ausschnitt einer Karte von Workman

Detaillierte Informationen über das Hushe-Tal finden sich in Hagler Bailly, Central Karakorum Protected Area, Volume II: Baseline Studies, Draft Report, der 2005 veröffentlicht wurde. Hiernach (Exhibit 3.8) betrug in 2005 die Bevölkerungszahl des Hushe-Tals 8.573. Nach Hagler Bailly gehörten zum Hushe-Tal die Orte Hushe, Kande, Baligon (~Balagrong), Macholo (~Machulu), Talis, Marzigon, Khane, Haldi, Sailling (~Saling) und Zikna. Geographisch ist die Zuordnung des am Saltoro gelegenen Haldi zum Hushe-Tal problematisch. Interessant ist die von Afridi (S. 275f) veröffentlichte Gebietsaufteilung, die 1950 und 1960 dem amtlichen Gebrauch entsprach. Danach gehörten zu dem Kreis (Patwar) Machlu (~Machulu) die Orte Machlu, Talis, Marzigund, Gud Ali Sher Khan, Kandey und Hushey. Dem Kreis Tagas wurden neben anderen im Saltoro-Tal gelegenen Orten insbesondere Khani (~Khane) und Baligund (~Balagrong) zugeordnet. Saling gehörte zum Kreis Kharko (~Kharku). Interessant ist auch ein Vergleich der von Hagler Bailly angegebenen Einwohnerzahl mit den von Afridi veröffentlichten Ergebnissen der Volkszählung von 1950 und 1960. Hiernach lebten in dem von Hagler Bailly erfaßten Gebiet im Jahre 1950 2.959 und 1960 3.320 Personen. Die Einwohnerzahl hat sich also zwischen 1950 und 2005 nahezu verdreifacht.

Die Reiseroute von Saling nach Hushe

Da die Orte Machulu, Talis, Balagrong und Hushe in gesonderten Artikeln beschrieben werden, sollen an dieser Stelle anhand der Karte von Abbildung 4 nur die Hauptorte kurz vorgestellt werden, die man auf dem Weg von Khaplu nach Hushe erreicht. Die Reise beginnt in Khaplu, dessen Höhe mit 2500 m angegeben wird. Hushe liegt in 3300 m Höhe. Man fährt von Khaplu etwa 10 km auf einer befestigten Straße bis zu einer Brücke, die über den Shayok führt. Von hier aus erreicht man Saling. Der erste Ort nach Saling ist Machulu (Abbildung 5). Kurz hinter Machulu erreicht man Talis (Abbildung 6). Dieser Ort wurde durch eine Schlammlawine schwer in Mitleidenschaft gezogen. Hinter Talis führt eine Brücke (Abbildung 7) über den Hushe nach Balagrong (Abbildung 8). Fährt man von Balagrong weiter nach Süden, erreicht man Haldi. Von Balagrong führt eine mit dem Auto befahrbare Straße nach Khane im Norden (Abbildung 9 und 10). Khane liegt am linken Ufer des Hushe.

Abbildung 5: Machulu im Hushe Tal mit der großen Khanqa-Gebetshalle als dominierendem Gebäude (Mai 2012)

Abbildung 6: Talis im Hushe Tal. Große Teile des Ortes wurden durch einen Gletscherausbruch zerstört. Links die große Khanqa-Gebetshalle (Mai 2012)

Abbildung 7: Brücke nach Balagrong über den Hushe-Fluß (Mai 2012)

Abbildung 8: Die Oase Balagrong auf dem linken Ufer des Hushe (Mai 2012)

Abbildung 9: Das am linken Ufer des Hushe nördlich von Balagrong gelegene Khane (Mai 2012)

Abbildung 10: Die große Khanqa-Gebetshalle von Khane (Mai 2012)

Um nach Hushe zu gelangen, überquert man nach Talis nicht den Hushe-Fluß, sondern setzt die Fahrt auf der rechten Uferseite nach Norden fort. Der nächste größere Ort ist das untere Kande (Abbildung 11), welches von mehreren Überschwemmungen sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. Von Kande aus kann man bei gutem Wetter den K2 sehen (Abbildung 12). Hinter Kande erreicht man nach kurzer Fahrt eine als oberes Khande bezeichnete Siedlung (Abbildungen 13 und 14). Dies ist die letzte größere Ortschaft vor Hushe (Abb 19), welches ich im Mai 2012 nach einer Fahrt vorbei an blühenden Aprikosenbäumen (Abb. 15 und 16) schließlich erreichte. Gelegentlich wird man auf einer solchen Fahrt durch Ziegen- und Schafherden aufgehalten (Abbildung 18).  

Abbildung 11: Das untere Kande (rechts im Bild), von Norden aus photographiert (Mai 2012)

Abbildung 12: Der K2 von Kande aus photographiert (Mai 2012)

Abbildung 13: Das obere Kande (Mai 2012)

Abbildung 14: Die Khanqa-Gebetshalle des oberen Khande (Mai 2012)

Abbildung 15: Blühende Aprikosenbäume zwischen Kande und Hushe (Mai 2012)

Abbildung 16: Blühende Aprikosenbäume zwischen Kande und Hushe (Mai 2012)

Abbildung 17: Begegnung mit einer Herde von Schafen und Ziegen (Mai 2012) 

Abbildung 18: Im Ort Hushe: Dachaufbauten der Astana-Grabmonumente vor einer imposanten Bergkulisse (Mai 2012)

Literatur

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
Shamshair Ali: Brief zur Katastrophe des Jahres 2010 in: http://www.baltistan.eu/news/letter-of-shamshair-ali
Hagler Bailly Pakistan: Central Karakorum Protected Area. Volume II: Baseline Studies. Draft Report. HBP Ref.: D5BL2CKP. July 8, 2005 IUCN Pakistan Karachi
Dieter Schuh: Reise in die Geschichte Baltistans, 3 Bd. Andiast 2011
Fanny Bullock Workman and William Hunter Workman: Two Summers in the Ice-Wilds of Eastern Karakoram. The Exploration of nineteen hundred Square Miles of Mountain and Glacier. New York [1917]

Autor: Dieter Schuh, 2012

Für wissenschaftliche Zitationen benutzen Sie bitte nur die gedruckte Ausgabe/For scientific quotation please use the printed edition only.