Tibet-Encyclopaedia

 

Abbildung 1: Die Südseite der Wohnburg von Shigar, welche heute vollständig renoviert und zu einem Hotel umgebaut ist. Rechts sieht man das als "Altes Haus" bezeichnete Wirtschaftsgebäude (Oktober 2008)

Wohnburgen (Khar) und Bergfestungen (Khardong) in Baltistan (Klein-Tibet)

Baltistan war im 17. und 18. Jahrhundert ein Land zahlreicher, praktisch uneinnehmbarer Bergfestungen, die hoch über den Oasen thronten, und von Wohnburgen der Herrscher der sechs Teilreiche dieses Landes. Diese teilweise in der Literatur auch als Königs-Paläste (Englisch: raja palace) bezeichneten Wohnburgen lagen unten im Tal unweit der Bergfestungen. Die zahlreichen Bergfestungen Baltistans wurden nach 1840 nahezu restlos von den indischen Dogra zerstört.  Erhalten geblieben ist die Festung in Kharmang. Von der Kharphocho-Festung von Skardu sind im Wesentlichen nur die Außenmauern erhalten geblieben. Die Wohnburgen der verschiedenen Herrscher der Teilgebiete von Baltistan wurden nach 1840 von den Dogra nicht zerstört, da sie militärisch bedeutungslos waren und weiterhin von den Angehörigen der ehemaligen Königsfamilien bewohnt wurden. Die als Shigar-Fort bekannte Wohnburg in Shigar wurde von dem Aga Khan Cultural Service-Pakistan  vorbildlich restauriert und zu einem Hotel umgebaut. Dem Aga Khan Cultural Service-Pakistan kommt auch das Verdienst der Wiederherstellung der Wohnburg in Khaplu zu.  Die Wohnburg der Herrscher von Skardu  wurde 2007 renoviert. In Rondu wurde die alte Wohnburg leider abgerissen und durch ein neues Gebäude ersetzt. 

Die Wohnburgen von Baltistan sind neben den Khanqa-Gebetshallen, den traditionellen Moscheen, den Matam Serai-Gedenkhallen und den Astana-Grabmonumenten herausragende Zeugnisse der traditionellen Baukunst in Baltistan.

Inhaltsverzeichnis

1. Forschungsgeschichte
2. Die Funktion von Wohnburgen und Bergfestungen
3. Wohnburg und Bergfestung von Shigar.
3.1. Fong Khar, die Wohnburg von Shigar
3.2. Khar e Dong, die Bergfestung von Shigar
4. Festungen und Wohnburg von Skardu
4.1. Kharphocho
4.2. Kahchana
4.3. Mindok Khar
4.4. Die Festung der Dogra in Skardu
4.5. Die Wohnburg von Skardu
5. Bergfestung und Wohnburg von Khaplu
5.1. Thortsi Khar
5.2. Die Wohnburg in Khaplu
6. Wohnburgen von Kiris, Rondu und Kharmang
6.1. Kiris
6.2. Rondu
6.3. Kharmang
7. Bergfestungen anderer Orte
8. Literatur

Abbildung 2. Lage der Bergfestung Kharphocho (Bildmitte) am Felsen von Skardu. Direkt unterhalb der Bergfestung sieht man die Ruine des "Blumenpalastes" Mindok Khar (Oktober 2008)

 1. Forschungsgeschichte

Der einzige Baltistanreisende, der alte Bergfestungen in Baltistan in intaktem Zustand besichtigen konnte, war Godfrey Thomas Vigne, der Baltistan in den Jahren 1835 und 1838 vor der Eroberung durch die Dogras und der anschließenden kompletten Zerstörung der militärischen Infrastruktur Baltistans bereiste. Vigne konnte die Bergfestung von Skardu, die allgemein mit der Bezeichnung Kharphocho bekannt ist, eingehend inspizieren. Ihm verdanken wir auch eine Beschreibung der als Khar-e-Dong bekannten Bergfestung von Shigar und der Thortsi Khar (Tibetisch: mThor-rtsi mkhar) genannten Bergfestung von Khaplu. Vigne erwähnt auch eine im Skardu-Tal gelegene Residenz des Herrschers Ahmad Shah und gibt eine Beschreibung der als Fong Khar bekannten Wohnburg von Shigar (Abbildung 1), die im Tal von Shigar unterhalb der dortigen Bergfestung liegt. Vignes Beschreibungen belegen, dass die auch heute noch geführte Diskussion (z. B. Klimburg, Dani) darüber, dass die Herrscher der Teilreiche von Baltistan nach der Eroberung durch die Dogras ihre Bergfestungen aufgeben mussten und im Tal im 19. Jahrhundert neue Residenzen errichteten, historisch keinen Sinn macht. Die Bergfestungen waren schon aus Versorgungsgründen als permanente Residenzen der Herrscher ungeeignet. Sie dienten aber als Waffenlager und Schatzkammern und als praktisch militärisch uneinnehmbare Rückzugsorte für den Fall, dass Angriffe von Feinden in offener Feldschlacht nicht abgewehrt werden konnten. Gleichwohl hatten die Residenzen der Herrscher im Tal ihres Herrschaftsgebietes aus Gründen der Sicherheit des Herrscherhauses einen wehrhaften Charakter.

Eine Ausnahme mag die Bergfestung von Kharmang gewesen sein, die vermutlich auch zeitweise als Wohnburg genutzt worden ist, über die wir aber wenig wissen. Dennoch befindet sich unterhalb der Bergfestung direkt am Indus gelegen eine als Wohnburg genutzte Residenz des ehemaligen Herrscherhauses.

Außer von Vigne existieren über die zahlreichen Bergfestungen Baltistans, die in historischen Quellen erwähnt werden, keinerlei nennenswerte Berichte. Das Gleiche galt bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts auch für die häufig als Paläste (Englisch: palace oder fort) bezeichneten, im Tal gelegenen Wohnburgen bzw. Residenzen der Könige von Baltistan, sehen wir einmal von Bemerkungen ab, dass man diese in einem stark von Zerfall gekennzeichneten Zustand angetroffen hat. Mit dem Beginn der Restaurierung dieser Wohnburgen durch den Aga Khan Cultural Service-Pakistan hat sich diese Forschungssituation grundlegend geändert. Insbesondere liegen uns nun im Zusammenhang mit der Restaurierung der Wohnburg von Shigar (Shigar fort) vorzügliche Untersuchungen zur Architektur etc. dieses und anderer Gebäude durch Masood Khan, Richard Hughes, Max Klimburg und Yasmin Cheema vor. Als Mangel ist leider anzumerken, dass weder Methoden der Dendrochronologie noch die 14C-Methode zur Datierung von Gebäudeteilen Verwendung fanden. Es ist zu hoffen, dass die vom Aga Khan Cultural Service-Pakistan durchgeführte Restaurierung der Wohnburg von Khaplu durch die Veröffentlichung ähnlicher wissenschaftlicher Dokumentationen ergänzt wird.

2. Die Funktionen von Wohnburgen und Bergfestungen

Abbildung 3: Lage der Wohnburg (unten links) und der zerstörten Bergfestung (oben rechts) von Shigar. Die einzige Zugangsmöglichkeit zur Bergfestung von Norden ist links im Bild leicht erkennbar (Oktober 2007)

Vigne besuchte während eines seiner Aufenthalte in Baltistan mit Ahmad Shah, dem letzten der unabhängigen Herrscher von Skardu, den Ort Shigar. Vigne schreibt (S. 269), dass Ahmad Shah in Shigar eine schönes Haus („good house“) besitzt, dass im ersten Stock eine Empfangshalle (room) zur Abhandlungen von Staatsversammlungen (Durbar) aufweist. Zweifellos beschreibt er damit die als Fong Khar bekannte Wohnburg von Shigar. Vigne erwähnt auch die als Khar e Dong bezeichnete Bergfestung, die er über steile Treppen und Leitern erreichte und die, wie alle anderen Bergfestungen in Baltistan, auf einem kleinen Plateau eines steil aufragenden, schwer zugänglichen Felsens erbaut war, den man  nur auf der nördlichen Seite besteigen konnte. Die Höhe dieses Felsens in Shigar gibt Vigne mit etwa 280 Fuß an. Wie man aus den Abbildungen 3 und 4 entnehmen kann, liegt die Festung von Shigar in unmittelbarer Nähe der Wohnburg, so dass man im Gefahrenfall die Festung als Zufluchtsort schnell erreichen konnte.

Abbildung 4: Blick von der Bergfestung Khar e Dong auf die Wohnburg Fong Khar von Shigar. Rechts der Ortsteil Chhinpa von Shigar und links der Bergbach (Nullah), der von Osten aus ins Shigar-Tal  fließt (Oktober 2008)

Vergleichbares gilt auch für die Wohnburg und die Thortsi Khar genannte Bergfestung von Khaplu. Die Wohnburg liegt direkt unterhalb eines steil aufragenden Berges, der nur von der östlichen Rückseite erreichbar ist. Vigne schreibt über die Bergfestung von Khaplu (S. 317): "The most conspicous object is the castle, built on a summit of a nearly isolated rock, that rises more than a thousand feet above the Indus. The view from its windows is very grand, and they overhang a height which made it almost giddy to look down upon." Es ist aber anzumerken, dass es sich bei dem vorstehend genannten Fluss nicht um den Indus, sondern um den Shayok handelt. Die Residenz im Tal erwähnt Vigne nicht.

   

Abbildung 5: Blick vom Dach (unten linke Ecke) der Wohnburg von Khaplu auf den Felsen mit der Bergfestung Thortsi Khar (Oktober 2008) 

 

Abbildung 6: Blick von der Bergfestung Thortsi Khar auf die Wohnburg von Khaplu (Oktober 2008)

Bezüglich der im Tal gelegenen Residenz der Herrschers von Skardu bemerkt Vigne (S. 245): " We did not reach the rock until the afternoon of the next day, and upon my arrival I found that a good house at its foot, in which some of the Rajah´s family usually resided, had been emptied for my reception ... The Indus was visible from my window." Cunningham (S. 347) berichtet, dass sich Ahmad Shah beim Angriff von Zorawar Singh im Jahre 1840 in seine Bergfestung Kharphocho zurückgezogen hatte, nach dem er zuvor seinen eigenen Palast in Brand gesetzt hatte. In einem Bericht an Gulab Singh, den Maharaja von Kashmir, über die Erorberung Baltistans schreibt Ganga Ram Naqqashi über die Zerstörung der Wohnburg von Skardu (Afridi, S. 351): "Ahmad Shah floh und die Kavalerie und Infantrie griffen Ahmad Shahs Hause an und brannten es nieder."

Dies alles belegt, dass Festungen und Wohnburgen bis 1840 nebeneinander existierten und unterschiedlichen Zwecken dienten. Die Bergfestungen waren schon aus Versorgungsgründen als Wohnresidenzen der Herrscher und ihrer Familie, aber auch für die Hofhaltung und als Sitz der Landesverwaltung ungeeignet. Für alle diese Zwecke wurden die Wohnburgen verwendet. Die Bergfestungen  dienten außerhalb der Hauptorte der Absicherung der Außengrenzen und der Sicherung der Nachschubverbindungen. Berichte über direkte Erorberungen von Bergfestungen durch Sturmangriffe liegen kaum vor. Entweder konnten sie durch Verrat eingenommen werden oder aber man schnitt sie bei einer längeren Belagerung systematisch von der Versorgung, insbesondere von der Wasserversorgung, ab, was im Ergebnis dazu führte, dass sie von ihren Verteidigern regelmäßig nach einiger Zeit dem Belagerer übergeben wurden. Zu den Ereignissen der Übergabe der Festung Kharphocho an Zorawar Singh findet sich folgender Bericht von Ganga Ram Naqqashi  (Afridi, S. 351): "Mehta Bast Ram wurde in die Bergfestung geschickt. Alle Reichtümer, die in der Festung lagerten, wurde von ihm herbeigebracht." Ein anderer Bericht über die Plünderung von Kharphocho (Afrifi, S. 345) erwähnt, dass 3000 Gewehre, 2000 Schwerter, unzählbare Geldbeträge und alles sonst Tragbare eingesammelt wurde. Dies belegt die Funktion der Bergfestungen an den Herrschersitzen als Waffenlager und Schatzkammer.

3. Wohnburg und Bergfestung von Shigar

3.1. Fong Khar, die Wohnburg von Shigar

Die verbreitete Schreibung Fong Khar für die Bezeichnung der Wohnburg von Shigar bedeutet „Felsenburg“, wobei Fong (Balti: phoong, Sprigg, S. 129) „Felsen“ und  Khar  (Tibetisch:  mkhar) „Burg, Palast“ bedeutet. Dieser Name stammt daher, dass die Wohnburg, wie auf der Abbildung 7 ersichtlich ist, über einem Felsbrocken errichtet worden ist. Über das Alter der Burg ist nichts Genaues bekannt. Sicher ist, dass sie einige Jahrhunderte vor der Eroberung Baltistans durch die Dogra (1840) errichtet wurde.

 

Abbildung 7: Ostseite der Fong Khar genannten Wohnburg von Shigar mit dem Felsen, über den sie errichtet wurde (Oktober 2007)

Die Burg liegt an einem Bergbach (Nullah), der von Osten kommend auf ihrer südlichen Seite vorbeiläuft und gegen den sie durch aufwändige Uferbefestigungen (siehe Abbildungen 1, 4 und 9) abgesichert ist. Kurz vor der Burg hat der Bergbach eine Felsenbarriere durchbrochen (siehe Abbildung 8), deren rechte Seite der Standort der alten Bergfestung ist. In der unmittelbaren Nähe der Wohnburg liegt südöstlich der Ortsteil Khilingrong mit der bekannten Khilingrong-Moschee, während  nordwestlich der Ortsteil Chhinpa (siehe Abbildungen 4 und 9) an das Burggelände angrenzt. Von Khilingrong erreicht man heute über eine befahrbare Brücke das linke Ufer des Bergbaches und damit das malerische Dorf Gzwapa (auch als Ghzoapa erwähnt), das somit südlich der Wohnburg liegt.

   

Abbildung 8: Der Bergbach (Nullah) von Shigar vor dem Durchbruch zum Shigar-Tal. Rechts der Felsen der zerstörten Bergfestung  (Oktober 2007)

 

Abbildung 9: Karte der Wohnburg von Shigar mit den Ortsteilen Chhinpa (Hier irrtümlicher Weise als Halpapa bezeichnet) und Khilingrong. Ausschnitt aus der Karte von Yasmin Cheema, S. 180

 

 Abbildung 10: Westseite der Burg Fong Khar (Oktober 2007)

Die Restaurierung der in einem ruinösen Bauzustand befindlichen Wohnburg von Shigar wurde vom Aga Khan Cultural Service-Pakistan im Jahre 1999 begonnen. Die Burg war schon in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts unbewohnbar geworden, so daß die Herrscherfamilie in das Sningma Nang "Altes Wohnhaus" genannte Gebäude (siehe Abbildung 1) umsiedeln mußte. Dies war der ehemalige Pferdestall, der mit einer zweiten Etage versehen und in ein Wohngebäude umgebaut wurde. Im Sningma Nang befinden sich heute die Hotelküche, Gasträume für das Restaurant und Büros. In den sechziger Jahren begann dann die Raja-Familie, eine weiteres Gebäude am südlichen Ende des Gartens zu errichten, das heute Rdzingkhi Nang "Gartenhaus" genannt wird und mit Hotelzimmern bestückt ist (siehe Abbildung 9). Bis 2004 wohnte die Raja-Familie in diesem Gartenhaus.  In diesem Jahr zog sie in ein direkt neben der Wohnburg errichtetes neues Gebäude um. Zum heutigen Hotelkomplex gehört der im traditionellen Stil gestaltete Garten (Amacha Tshar), der in der Mitte einen, in einem quadratisch angelegten Wasserbecken errichteten Pavillon aufweist.

Abbildung 11: Amacha Tshar-Garten mit Pavillon (Oktober 2007)

 Fong Khar wurde auf einer Plattform gebaut, die man um den Felsen errichtete. Masood Khan (S. 216)  unterscheidet bei dieser Wohnburg drei Module oder Bauabschnitte, die baugeschichtlich zu verschiedener Zeit errichtet wurden. Hiernach gehört der nach Norden und Osten orientierte Gebäudeteil mit der imposanten Empfangshalle zum ältesten Bauabschnitt von Fong Khar, der später zunächst um einen südlichen Gebäudeteil mit den Wohnräumen des Herrschers erweitert wurde. Zur Bauweise ist anzumerken, das Fong Khar mit einer für Baltistan typischen fachwerkartigen Kombination aus Holzbalken und Natursteinen gebaut wurde. Zur architekturgeschichtlichen Einordnung bemerkt Masood Khan (S. 220f), dass die Architektur der Wohnburg von Shigar mehr einer örtlichen oder tibetischen Bauweise entspricht und dass der starke Einfluss Kashmirs, der in den Wohnburgen von Khaplu, Skardu und Kharmang offensichtlich ist, hier noch nicht zum Tragen gekommen ist.

   

Abbildung 13: Eingangstür von Fong Khar (Oktober 2007)

 

Abbildung 14: Säule der Empfanghalle von Fong Khar (Oktober 2008)

 

Abbildung 15: Die Empfangshalle von Fong Khar. Diese Halle ist heute ein Museum (Oktober 2007)

 3.2. Khar e Dong, die Bergfestung von Shigar

Khar e Dong oder Khar Dong (Tibetisch: mkhar-gdong(s)) ist eigentlich nur die generelle Bezeichnung für eine Bergfestung. So berichten tibetische Urkunden (Schuh, Herrscherurkunden, S. 223f), dass man im Jahre 1759 in Kiris und Kuru Bergfestungen (mkhar-gdongs) errichtete. Im Fall der Festung von Shigar hat sich diese Bezeichnung wohl als spezieller, örtlicher Name dieser Bergfestung eingebürgert.

Seinen Besuch der Bergfestung Khar e Dong von Shigar beschreibt Vigne wie folgt (S. 269); „The fort, like all the forts in the country, is built upon a steep, narrow and precipitous rock, about two hundred and eighty feet in height, to the top of which I scrambled, up a succession of stepps and staircases, chiselled or let into its surface… I  was told that the fort of Shigur held out against him [= Ahmad Shah] for eleven years, but was at last starved and tired into submission.“ Vigne fand also diese Festung noch als funktionsfähiges Gebäude vor, das letztendlich nach einem elfjährigen Krieg von Ahmad Shah durch die in Baltistan übliche Methode des Abschneidens von aller Versorgung eingenommen worden war. Im Übrigen beruht die gelegentlich zu findenden Ansicht (Dani, Masood Khan), die Bergfestung Khar e Dong sei während des erfolgreichen, im Auftrag des Moghul-Kaisers Shah Jahan im Jahre 1636 durchgeführten Baltistan-Feldzuges zerstört worden, auf einer Überinterpretation der indischen Quellen. Tatsächlich wird in diesen nur berichtet, dass die offenkundig von jedweder nennenswerten Verteidigung entblößte Burg von Shigar von den Moghul-Truppen eingenommen und geplündert wurde. Dabei ist nicht einmal geklärt, ob es sich bei dieser eroberten Burg nicht doch um die Wohnburg Fong Khar handelte.

   

Abbildung 16: Blick auf die Bergfestung von der Brücke nach Khilingrong (Oktober 2008)

 

Abbildung 17: Der Standort der Bergfestung von Shigar (Oktober 2007)

 Heute sind von der ehemaligen Bergfestung Khar e Dong wie bei fast allen zerstörten Bergfestungen nur Mauern zur Befestigung des Bergrandes und ein Trümmerfeld aus Steinen übrig geblieben. Wie bei allen zerstörten Bergfestungen ist davon auszugehen, dass die Bevölkerung in den Jahren oder Jahrzehnten nach der Zerstörung alle wertvollen Baumaterialien abtransportiert und zum Bau von Wohnhäusern wiederverwendet hat.

Abbildung 18: Plateau der zerstörten Bergfestung von Shigar (Oktober 2008)

 4. Festungen und Wohnburg von Skardu

4.1. Kharphocho

Kharphocho ist die heute geläufige Schreibung von Tibetisch mkhar-po-che „große Burg“. Vigne (S. 246f) verdanken wir die einzige existierende Abbildung der Bergfestung Kharphocho (auch Kharphoče, Kharfocho, Kaharphucha oder Kharpoche genannt) von Skardu vor ihrer Zerstörung sowie eine eingehende Beschreibung dieser Burg. Hiernach war sie ein hochragendes Gebäude, das wie die Wohnburg von Shigar mit einer Art Holzfachwerk-Bauweise errichtet war, wobei die leeren Räume zwischen den Hölzern und massive Mauerteile mit Natursteinen gefüllt bzw. errichtet waren. Das Gebäude besaß eine Empfangshalle, deren Fenster mit einem Holzgitter versehen waren und die einen wunderbaren (splendid) Ausblick auf das Tal und den Indus freigaben. Vigne erwähnt auch die heute noch teilweise erhaltene Moschee und ein Staatsgefängnis.

   

Abbildung 19: Blick auf den Felsen von Skardu nach Vigne (S. 193). Unten links Vigne selbst mit Hund und Pferd

 

Abbildung 20: Die Bergfestung Kharphocho am östlichen Ende des Felsens von Skardu vor der Zerstörung im Jahre 1841 nach Vigne (S. 246)

 Im Einzelnen beschreibt Vigne (S. 246ff) Kharphocho wie folgt: „The Gylfo´s castle is build upon a small flat, about three hundred feet above the river. A wooden mosque and state prison form part of the building. The castle itself is of stone, with wooden framework, and is strongly fortified against musketry, The zig-zag by which it is approached, is also divided by gateways and wooden towers. … I once visited the Gylfo in his stronghold, where every thing seemed to be constructed for defence rather than comfort, being a confusion of break-neck stairs, low doors, and dark passages. There is a splendid view of the valley and the river from the trellised windows of the reception-room, and a delicious breeze compensated for a hot and troublesome ascent. … There is no water on the top of the rock, but close to the river under the castle is a fine spring.“

Thomas Thomson, der sich im November 1847 in Skardu aufhielt,  beschreibt den Zustand der Bergfestung Kharphocho sechs Jahre nach ihrer Zerstörung wie folgt (S. 218): "The principal buildings of the palace seem to have been at the very base of the rock. A mass of ruins, showing large blocks of well-hewn stone, fragments of marble fountains, and some solid walls supporting terraces, which appear at one time to have been gardens, alone remain to show the former magnificence of the place." Thompsons  Interpretation von Gebäuderresten als Springbrunnen oder Gärten kann man angesichts der Tatsache, dass Kharphocho keine eigene Wasserversorgung besaß, natürlich nicht teilen. Es ist aber nicht auszuschließen, ob Thomson in seine Beschreibung nicht auch die Reste anderer Gebäude wie Mindok Khar oder die zerstörte Wohnburg miteinschloß. 

Abbildung 21: Die Festung Kharphocho im Oktober des Jahres 2007

Betrachten wir den heutigen Zustand von Kharphocho, so besteht die Festung nach Süden, Osten  und Norden aus einer mit Natursteinen gemauerten und mit Holzbalken verstärkten, rechteckigen Umfassungsmauer, deren Mauerkrone mit Schießscharten versehen ist. Darunter befinden sich umlaufend Kasematten, die ebenfalls nach außen Schießscharten aufweisen. Der sehr große Innenbereich dieser Mauern ist heute unbebaut und somit leer, wenn man von den Resten der alten Königsmoschee absieht. Wie die Abbildung in Filippi (S. 54) zeigt, entspricht dies dem Zustand von 1914. Dies bedeutet, dass die Dogra zwischen 1847 und 1914 Kharphocho zu einer einfachen Verteidigungsanlage umgebaut haben, die dem heutigen Zustand nahekommt und die von der alten Bergfestung baulich völlig verschieden ist. Während des indisch-pakistanischen Krieges des Jahres 1948 war diese von den Dogras verteidigte Festung Kharphocho heftig umkämpft.

 

   

Abbildung 22: Schießscharten, Kasematten sowie Reste der alten Moschee der Festung Kharphocho von Skardo  (Oktober 2007)

 

Abbildung 23: Schießscharten der Kasematten der Festung Kharphocho (Oktober 2007)

 

Abbildung 24: Umfassungsmauer und Eingangstor der von den Dogra umgebauten Festung Kharphocho (Oktober 2007)

Die bisher einzige relevante Quelle über den Bau von Kharphocho ist das Bádsháh-náma des ´Abdu-l Hamíd Láhorí, der in diesem Geschichtswerk die ersten zwanzig Jahre der Regierungszeit des Moghul-Kaisers Shah Jahan beschreibt und auch über den Feldzug des Gouverneurs von Kashmir Zafar Khan gegen Baltistan im Jahre 1636 berichtet. ´Abdu-l Hamíd Láhorí verstarb im Jahre 1654. Nach seiner Darstellung (Láhorí, S. 62) wurde Kharphocho und die Festung Kahchana von Ali Sher Khan, dem Vater des vom Moghul-Kaiser bekämpften Königs Abdal Khan erbaut. Ali Sher Khan regierte um die Jahrhundertwende vom 16. zum 17. Jahrhundert in Baltistan.

Im Laufe der Geschichte ihres Bestehens wurde die Festung Kharphocho zwar mehrfach belagert, zu keinem Zeitpunkt aber mit rein militärischen Mitteln erstürmt. 1636 übergab Abdal Khan die Festung an die sie belagernden Moghul-Truppen, nachdem seine Familie von den Moghul-Truppen in Shigar gefangen genommen worden war und seine militärische Lage aussichtslos erschien. Der letzte unabhängige König von Skardu Ahmad Shah übergab im Jahre 1840 die Festung kampflos nach kurzer Belagerung (die Quellen nennen hier einen Zeitraum von 5 oder 7 Tagen) wegen Wassermangels an den Dogra-Feldherrn Zorawar Singh. 1841, während des Aufstandes der Balti gegen die Dogra, wurde die Festung von den Dogra und ihren Verbündeten zwar erstürmt. es wird aber berichtet (Afridi, S. 150), dass der Zutritt zur Festung durch Verrat ermöglicht wurde. Danach wurde die Festung Kharphocho zerstört.

4. 2. Kahchana

Nach dem vor 1654 entstandenen Geschichtswerk Bádsháh-náma des ´Abdu-l Hamíd Láhorí hat Ali Sher Khan neben der Festung Kharphocho auf dem Felsen von Skardu noch eine zweite Burg, nämlich Kahchana (auch Khacesna, Kadjina oder Kagina genannt) errichtet. Kharphocho und Kahchana waren wechselseitig über den Gipfel des Felsens von Skardu erreichbar, hatten aber von der Ebene von Skardu aus gesehen eigene Zugangswege. Es gilt als sicher, dass Kahchana von Westen aus erreichbar war während der Zugang zu Kharphocho wie heute von Osten aus bestand. Während des vom Moghul-Kaisers Shah Jahan angeordneten Feldzuges unter Zafar Khan gegen Baltistan im Jahre 1636 ergab sich die Festung Kahchana, die dem Befehl von Mohammad Murad alias Murad Khan unterstand, den Belagerern. Kahchana wird im Shigar Nāma (Behrouz, S. 199 und 219) im Zusammenhang mit den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Sher Khan und Imam Quli Khan in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erwähnt. Betrachtet man die Berichte von Vigne über seine Besteigung des Felsens von Skardu von Westen aus, so bestehen Zweifel daran, dass Kahchana als eigenständige Festung bei seinem Besuch in Baltistan vor 1840 noch existierte.

4.3. Mindok Khar

Mit Mindok Khar (auch Mindoq Khar geschrieben) "Blumenburg oder Blumenpalast" bezeichnet man heute die Ruinen eines kleineren Gebäudes unterhalb der Festung Kharphocho (siehe auch Abbildung 2). Von hier aus hat man einen sehr schönen Blick auf den Indus und das malerische Dorf Chumik, welches heute ein Ortsteil von Skardu ist. Mindok Khar ist auch auf dem Bild von Vigne (Abbildung 20) noch gut zu erkennen. Der Legende nach (Hashmatullah Khan, S. 18, Afridi, S. 52f und 60) wurde der Blumenpalast von Mindok Gyalmo "Blumenkönigin", der Gemahlin von Ali Sher Khan, des Erbauers von Kharphocho, während der Abwesenheit des Königs errichtet und um eine hochgelegene, durch einen Kanal künstlich bewässerte Gartenanlage ergänzt. Die schaurig-schöne Legende erzählt des Weiteren, dass der König nach seiner Rückkehr nach Skardu die Königin wegen des Baus des Blumenpalastes so sehr tadelte, dass sie an Herzversagen verstarb.

Abbildung 25: Mindok Khar (links) mit einem Blick auf den Indus und das Dorf Chumik (Oktober 2007)

 4.4. Die Festung der Dogra in Skardu

Nach der Eroberung von Skardu durch Zorawar Singh im Jahre 1840 hielt sich der Dogra-Heerführer sieben Monate in Skardu auf. Als permanente Besatzungtruppe stationierte er vor seiner Rückkehr nach Ladakh eine kleine Garnison mit circa einhundert vertrauenswürdigen Soldaten in der Festung Kharphocho. Nach dem Aufstand des Jahres 1842 wurde Kharphocho von den Dogra zerstört und eine neue Festung am Ufer des Indus errichtet. Diese Dogra-Festung bestand noch im Jahre 1914 und wurde von de Filippi beschrieben. Danach war die Festung mit ungebrannten Ziegeln errichtet worden und besaß an den vier Ecken runde Türme. Von dieser Festung existieren zwei Abbildungen aus dem 19. Jahrhundert. Nach 1948 wurde die Dogra-Festung vollständig zerstört. Bei meinem Aufenthalt in Skardu im Oktober 2008 zeigte man mir einen Hügel als den ehemaligen Standort der Festung, auf dessen Plateau nicht einmal Mauerreste zu sehen waren.

Abbildung 26: Die Dogra-Festung im November 1847 nach Thomson

 

   

Abbildung 27: Die Dogra-Festung 1863 bzw. 1870 nach Drew

 

Abbildung 28: Die Festung Kharphocho im Jahre 1891 nach Knight

 4.5. Die Wohnburg von Skardu

Es ist als gesichert anzusehen, dass die alte Wohnburg bzw. der alte Palast der Könige von Skardu im Jahre 1840 während des Einfalls der Dogra unter Zorawar Singh zerstört wurde. Frederic Drew, der Skardu in den Jahren 1863 und 1870 bereiste, schreibt über diese Wohnburg (S. 362): "Formerly the palace of the Rajas of Skardu stood at the edge of the plateau, where the rock rises from it; now the ruins remain, little more than the foundations and some vaulted chambers. The palace was dismantled on the taking of Skardu by Maharaja Gulab Singh´s troops. The rock itself was the stronghold; there was a fort build on the south-east end of it, at a part very steep and difficult of access; to this the Raja (Ahmad Shah) retired on the approach of the enemy."  Die Frage, in welchem Verhältnis diese hier beschriebene Wohnburg zu der heute vorzufindenden Residenz der ehemaligen Herrscher von Skardu steht, ist ungeklärt. Wurde der jetzt vorhandene Palast an einer anderen Stelle als Neubau errichtet oder wurde die alte Wohnburg wieder aufgebaut? Diese Frage kann ohne weitere baugeschichtliche Forschungen nicht beantwortet werden. Nach Klimburg (S. 159) war diese neue Residenz vor wenigen Jahren nur noch teilweise bewohnt. Im Oktober 2007, während ich Skardu besuchte, wurde sie renoviert. Der jetzige Vertreter des Königshauses hatte in unmittelbarer Nähe einen Neubau errichtet, in dem er mit seiner Familie wohnte.

Abbildung 29: Der Palast bzw. die Wohnburg der ehemaligen Herrscher von Skardu (Oktober 2007)

 

   

Abbildung 30: Portico der Wohnburg von Skardu (Oktober 2007)

 

Abbildung 31: Details des Portico der Wohnburg von Skardu (Oktober 2007)

 5. Bergfestung und Wohnburg von Khaplu

Siehe auch Sarfah Khar und Hachi Khar

5.1. Thortsi Khar

Die erste Erwähnung der Bergfestung Thortsi Khar (auch Tursi Khar, Thorsekhar, Thursey Khar, Tokhsikhar und  Tibetisch mThor-rtsi mkhar oder mTho-rtse mkhar geschrieben) von Khaplu in einer historischen Quelle (Shigar Nāma) fällt in die Regierungszeit von Rahim Khan, der nach der Zählung von Cunnigham als der 62. König der Yabgo-Herrscherfamilie von Khaplu aufgeführt wird. Nachdem Murad Khan die Verwaltung von Skardu in den Jahren 1650/51 übernommen hatte, griff er zusammen mit Imam Quli Khan, dem Herrscher von Shigar, Karthaksho an und eroberte es. Im Anschluss kam es nach 1650 zu einem Krieg gegen Khaplu. Rahim Khan, der Herrscher von Khaplu, verschanzte sich vor den heranrückenden Truppen aus Skardu und Shigar in der Festung Thortsi Khar (Behrouz, S. 110f). Im Shigar Nâma wird Thortsi Khar als „wolkenberührende Festung" beschrieben, die durch militärischen Angriff nicht zu erobern war (siehe Abbildungen 5 und 32). Die Angreifer plünderten deshalb das Umland und schnitten Thortsi Khar von jedweder Versorgung an Wasser, Nahrung und Getreide ab. Es kam zu mehreren Gefechten zwischen den Belagerern und den Truppen des Herrschers von Khaplu. Nach dreimonatiger Belagerung gab Rahim Khan auf und übergab die Festung an Murad Khan, nachdem dieser ihm persönliche Unversehrtheit zugestanden hatte.

Abbildung 32: Die "wolkenberührende" Festung Thortsi Khar mit der heute noch erhalten geliebenen Moschee von Süd-Osten aus photographiert (Oktober 2008)

In dem ersten der beiden Kriege zwischen Sher Khan aus Skardu und Imam Quli Khan (nach 1665 und vor 1674) wurde Thortsi Khar von Babur verteidigt, der sich mit Sher Khan verbündet hatte. Als Baburs Lage aussichtlos erschien, übergab er die Festung kampflos an die Angreifer. Das nächste militärische Ereignis, bei dem Thortsi Khar genannt wird, fällt in das Jahr 1674. Ladakhische Truppen rückten in diesem Jahr gegen Khaplu vor und eroberten Chorbat und Thortsi Khar. Das Gebiet von Khaplu wurde zwischen Hatam Khan, Sultan Khan und Ali Khan aufgeteilt. Wie oben (siehe 2. Die Funktion von Bergfestungen und Wohnburgen) dargelegt, besuchte Vigne entweder im Jahre 1835 oder 1838 Khaplu und stieg zur Bergfestung Thortsi Khar hinauf, die er also zu jener Zeit in völlig intaktem Zustand vorfand.

      

Abbildung 33: Der Aufstieg zur Festung Thortsi Khar von Osten (Oktober 2008)

 

Abbildung 34: Die Moschee der Festung Thortsi Khar (Oktober 2008)

 

Abbildung 35: Trümmer der zerstörten Festung Thortsi Khar (Oktober 2008)

 5.2. Die Wohnburg von Khaplu

Die einzige Wohnburg in Baltistan, die man angesichts der Größe der Gesamtanlage und der prachtvollen Aussstattung mit Fug und Recht als Palast bezeichnen kann, ist die Residenz der Herrscher von Khaplu. Dem Hörensagen nach (Klimburg, S. 158 unter Berufung auf Dani) wurde diese Wohnburg im 19. Jahrhundert errichtet, nachdem man die Festung Thortsi Khar verlassen mußte. Es erscheint als völlig unmöglich, dass die ihrer Macht und des größten Teils ihrer Pfründe schon unter Ahmad Shah beraubten ehemaligen Herrscher von Khaplu nach 1840 die finanziellen Mittel besaßen, eine derartige grandiose Residenz mit großzügigem Zugangsbereich und Nebenbauwerken zu errichten.

Ábbildung 36: Zugangsbereich der Wohnburg von Khaplu. Links befanden sich die alten Pferdeställe (Oktober 2008)

 

Abbildung 36a: Zugangsbereich der Wohnburg von Khaplu nach der Restaurierung und dem Umbau in eine Hotelanlage. Links ist nun die Hotelrezeption (Mai 2012)

Abbildung 37: Die Nordseite der Wohnburg von Khaplu (Oktober 2008)

 

Abbildung 37a: Der Haupteingang (Nordseite) der Wohnburg von Khaplu nach der Restaurierung (Mai 2012)

Abbildung 37b:Der Haupteingang der Wohnburg von Khaplu nach der Restaurierung (Mai 2012)

Zur Zeit wird die Wohnburg von Khaplu erfreulicher Weise durch den Aga Khan Cultural Services-Pakistan denkmalgerecht grundlegend saniert und die gesamte Anlage zu einem Hotel umgebaut. Es ist zu hoffen, dass die im Rahmen dieser Sanierung durchgeführten baugeschichtlichen Untersuchungen wissenschaftlich fundierte Ergebnisse zur Geschichte dieser Palastanlage liefern werden.

    
 

Abbildung 38: Wohn- und Empfangsraum an der südwestlichen Ecke der zweiten Etage der Wohnburg von Khaplu  (Oktober 2007)

 

Abbildung 39: Decke des Wohn- und Empfangsraums an der südwestlichen Ecke der zweiten Etage der Wohnburg von Khaplu  (Oktober 2007)

 

   

Abbildung 40: Westliches Seitenbebäude der Wohnburg von Khaplu (Oktober 2008) 

 

Abbildung 41: Westeingang zur Wohnburg von Khaplu (Oktober 2008)

 

   

Abbildung 40a: Zu einem Restaurant umgebautes, erweitertes westliches Seitengebäude der Wohnburg von Khaplu (Mai 2012)

 

Abbildung 41a: Der Westeingang der Wohnburg von Khaplu nach der Restaurierung (Mai 2012)

 

   

Abbildung 42: Raum in der 2. Etage des Portico der Wohnburg von Khaplu (Oktober 2008)

 

Abbildung 43: Kunstvolle Holzdecke des Raumes in der 2. Etage des Portico der Wohnburg von Khaplu (Oktober 2008)

 

Abbildung 44: Die südliche und östliche Seite der Wohnburg von Khaplu (Oktober 2008)

 

Abbildung 44a: Die Ostseite der Wohnburg von Khaplu nach der Restaurierung (Mai 2012)

6. Wohnburgen von Kiris, Rondu und Kharmang

6.1. Kiris

Nach den mir vorliegenden Informationen befanden sich in den zwei kleineren Herrschaftsgebieten bzw. „Königreichen“ Kiris und Rondu am Sitz der Herrscher jeweils nur Wohnburgen. Anders ist dies in Kharmang, wo unterhalb der Bergfestung unmittelbar am Indus eine Wohnburg existierte. Die Bergfestung von Kharmang galt als militärisch uneinnehmbar. Der gegenwärtige Vertreter der Herrscherfamilie von Kiris, Khurram Ali Kahn, erklärte mir, dass es in Kiris keine Bergfestung gäbe. Allerdings berichten ladakhische Urkunden, dass man im Jahre 1759 in Kiris und Kuru Bergfestungen (mkhar-dgongs) errichtete habe, die aber von den vorrückenden Truppen aus Ladakh ohne Schwierigkeiten eingenommen wurden. Auch für das Jahr 1785 wird von der Eroberung der Bergfestungen (mkhar-gong) von Kuru und Kiris berichtet (Schuh, Herrscherurkunden, S. 223f und 244f).

Die Architektur der Wohnburg von Kiris wurde kurz von Hughes (S. 108) beschrieben. Hiernach wurde das gesamte Gebäude in einem Bauabschnitt auf einer Plattform aus großen Steinen und Felsbrocken errichtet, die nach Osten und Süden kleine Öffnungen besitzt, durch die man tierische Exkremente entsorgen konnte. Das Gebäude besitzt nur einen Eingang, den man über eine Plattform erreicht. Die Burg wurde nach 1840 um einen repräsentativen Vorbau (Portico) über dem Eingang der Burg erweitert, dessen erstes Stockwerk im Sommer als Wohnbereich genutzt wird.Die Wände haben eine Dicke von einem Meter. Die Räume im Erdgeschoß, die früher die Winterquartiere der Bewohner waren, werden nun als Ställe für Tiere und als Lagerräume genutzt. Das Obergeschoß besteht aus zwanzig Zimmern, die sich um einen Hof gruppieren. Diese dienen als Wohnräume.
 

Die Burg von Kiris war in den kriegerischen Auseinandersetzungen der beiden Jahrhunderte vor 1840 häufig umkämpft und wurde mehrfach von gegnerischen Truppen eingenommen.

   

Abbildung 45: West- und Südseite der Burg von Kiris (Oktober 2007)

 

Abbildung 46: Nordseite der Burg von Kiris (Oktober 2007)

 

   

Abbildung 47: Vorbau über dem Eingang zur Burg von Kiris (Oktober 2007)

 

Abbildung 48: Wohnraum im 1. Stockwerk des Vorbaus der Burg von Kiris (Oktober 2007)

 

 6.2. Rondu

Als ich im Jahre 2008 Rondu besuchte,war die alte Wohnburg abgerissen. An ihrer Stelle wurde gerade ein neues Gebäude errichtet. Das alte Gebäude, welches nach Hughes (S. 107) angeblich schon einmal vor einhundert Jahren erneuert worden war, ist somit endgültig verloren. Ob sich in Rondu neben dieser Wohnburg noch eine separate Bergfestung befunden hat, ist nicht bekannt.

 

   

Abbildung 49: Die alte, inzwischen abgerissene Wohnburg von Rondu nach Hughes, S. 107 

 

Abbildung 50: Neubau der ehemaligen Residenz der Herrscher von Rondu, errichtet an der Stelle der abgerissenen alten Burg  (Oktober 2008)

 6.3. Kharmang

Die frühesten, durch eine historische Quelle (Shigar Nāma) belegten, historischen Ereignisse, in deren Zusammenhang die Burg von Kharmang erwähnt wird, datieren in die Jahre zwischen 1650 und 1658. Murad Khan, der die Verwaltung in Skardu seit 1650/51 innehatte, beschloss unmittelbar nach seiner Amtsübernahme, das von Mirza Khan regierte Kharmang zu erobern. Murad Khan verbündete sich dazu mit Imam Quli Khan von Shigar und begann Kharmang anzugreifen (Behrouz, S. 105ff). Der Krieg begann mit der Erstürmung der Festung von Parkuta. Dabei wurde Ali Khan, der Sohn des Herrschers über Kharmang, gefangen genommen. Anschließend begann die Belagerung der auf der rechten Seite des Indus gelegenen Burg von Kharmang, über die das Shigar Nama wie folgt berichtet (Behrouz,S. 108):

“Die Mauern ragten zum Himmel empor, und Mirza Khan weilte dort wie ein Engel. Die unzähligen Kämpfer bemühten sich zwei Tage und zwei Nächte lang, die Festung zu erobern. Sie konnten den Berg weder mit bloßen Händen noch mit dem Seil hochklettern. Alle Helden bleiben ratlos, und die ganze Herrlichkeit verschwand.“

Die Truppen von Skardu und Shigar plünderten daraufhin das gesamte Land und schnitten die Festung von Kharmang von jedweder Versorgung ab. Nach viermonatiger Belagerung kapitulierte Mirza Khan, nachdem man ihm freies Geleit zugestanden hatte, und übergab die Burg an die Belagerer.

   

Abbildung 51: Die Wohnburg (unten Mitte) und Bergfestung (Mitte rechts) von Kharmang im Jahre 1909 (De Filippi (1909), S. 113)

 

Abbildung 52: Bergfestung von Kharmang 1913/14 nach De Philippi, S. 36

 

Abbildung 51a: Die unbewohnte Wohnburg von Kharmang im Mai 2012

 

Abbildung 52a: Reste der Bergfestung von Kharmang im Mai 2012

Kharmang liegt heute in einem militärischen Sperrgebiet und konnte von mir 2007 nicht besucht werden. Die beiden mir bekannten Photos der Burgen von Kharmang wurden von De Philippi veröffentlicht. Die Aufnahme der Bergfestung (Abbildung 52) stammt aus dem Jahre 1913/14. Das andere Photo, auf dem die Bergfestung und die Wohnburg zu sehen ist (Abbildung 51), wurde 1909 aufgenommen. 2012 konnt ich Muhammad Kamal nach Kharmang schicken, von dem die obigen Aufnahmen aus dem Jahre 2012 stammen.

7. Bergfestungen anderer Orte

Nach Hashmatullah Khan gab es in Baltistan vor 1840, dem Jahr der Invasion der Dogra, 37 Wohnburgen und Bergfestungen (qillah). Eine Anzahl dieser Festungen werden im Shigar Nāma erwähnt, doch sind bis heute häufig nicht einmal die Orte identifiziert, an denen sich diese Bergfestungen befanden. Ein Ziel meiner Reisen in den Jahren 2007 und 2008 war es, die Lage und den Zustand der Bergfestungen zu ermitteln, die in ladakhischen Urkunden erwähnt werden. Diese waren die Burgen in den Hauptorten der sechs kleinen Königreiche Skardu, Shigar, Khaplu, Kiris, Rondu und Kharmang sowie die Bergfestungen von Nar, Tolti, Saling  und Snazar. Letztere liegt vermutlich an einem westlichen, steilen Berghang von Balghar. Alle diese Bergfestungen sind heute völlig zerstört. Die Lage und der heutige Zustand sowie ihre Einbindung in geschichtliche Ereignisse werden in den Spezialartikeln über die betreffenden Orte behandelt. Im Jahre 2012 konnten die Bergfestungen von Kharku, Shigri und Haldi sowie die Burg Sarfah Khar in Khaplu dokumentiert werden.

8. Literatur 

Banat Gul Afridi: Baltistan in History. Peshawar 1988
Koshrow Behrouz: Shigar- Nāma. Eine persische Verschronik über die Geschichte Baltistans. Kritische Textausgabe, Kommentar und Übersetzung. Unveröffentlichtes Manuskript aus den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts
Yasmin Cheema: Towards an Inventory of Historic Buildings and Cultural Landscapes.In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 165-184.
A. H. Dani: History of Northern Areas of Pakistan. Islamabad 1991
Filippo de Filippi (1909): Karakoram and Western Himalaya 1909. An Account of the Expedition of H.R.H. Price Luigi Amedeo of Savoy. Duke of the Abbruzzi. New York 1912
Filippo De Filippi: Storia della spedizione scientifica Italiana nel Himalaia Caracorum e Turchestan Cinese (1913-1914). Bologna 1923
Frederic Drew: The Jummoo and Kashmir Territories. A Geographical Account. London 1875
Richard Hughes: Vernacular Architecture and Construction Techniques in the Karakoram. In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 99-132
Hashmatullah Khan: History of Baltistan. Lok Virsa Translation, Islamabad 1987. Das Original in Urdu wurde 1939 veröffentlicht
Max Klimburg: Traditional Art and Architecture in Baltistan. In: Karakoram. Hidden Treasures in the Northern Areas of Pakistan. Edited by Stefano Bianca. The Aga Khan Trust for Culture 2005, S. 149-164
E. F. Knight: Where three Empires Meet. A Narrative of Recent Travel in Kashmir, Western Tibet, Gilgit, and the Adjoining Countries. London 1893
´Abdu-l Hamíd Láhorí: Bádsháh-náma. In: The History of India as Told by its Own Historians. The Muhammadan Period. The Posthumous Papers of the Late Sir H. H. Elliot. Edited and Continued by Professor John Dowson. Vol. VII. First Indian Edition. Allahabad 1964, S. 3-72
Dieter Schuh: Herrscherurkunden und Privaturkunden aus Westtibet (Ladakh), Halle 2008 (= Monumenta Tibetica Historica, Abteilung III. Diplomata, Epistolae et Leges, Band 11)
Dieter Schuh: Die Herrscher von Baltistan (Klein-Tibet) im Spiegel von Herrscherurkunden aus Ladakh. In: Chomolangma, Demawend und Kasbek. Festschrift für Roland Bielmeier zu seinem 65. Geburtstag. Band 1: Chomolangma, Halle 2008, S. 165-225
Thomas Thomson: Western Himalaya and Tibet. Kathmandu 1979 (Nachdruck der Ausgabe von 1852)
Godfrey Thomas Vigne: Travels in Kashmir, Ladakh, Iskardo. The Countries Adjoining the Mountain-Course of the Indus and the Himalaya North of the Punjab. Volume II, London 2005. Nachdruck der Ausgabe von 1842

Autor: Dieter Schuh, 2010, ergänzt 2012 (Khaplu und Kharmang). Abbildungsnachweise: Abbildung 9: Yasmin Cheema, S. 180. Abbildungen 19 und 20: Vigne, S. 193 und 246. Abbildung 26: Thomson, S. 220. Abbildung 27: Drew, S. 363. Abbildung 28: Knight, S. 263. Abbildung 49: Hughes, S. 107. Abbildung 51und 52: De Filippi (1909), S. 113 und De Filippi, S. 36. Alle anderen Abbildungen: Dieter Schuh.

Für wissenschaftliche Zitationen benutzen Sie bitte nur die gedruckte Ausgabe/For scientific quotation please use the printed edition only.